Klimaerwärmung und die Pentagon-Berichte über China
Das massive Versagen des Pentagons bei der Aufklärung über China
Die Klimaerwärmung, die im Pentagon-Bericht über China nicht vorkommt, wird die größte Sicherheitsbedrohung für die USA und China werden und eine Kooperation erfordern.
von Michael Klare (Deutsche Übersetzung: 29.1.2023)
Quelle: https://overton-magazin.de/top-story/das-massive-versagen-des-pentagons-bei-der-aufklaerung-ueber-china/
Original: https://tomdispatch.com/climate-change-will-supersede-everything/
Auszüge:
Das Pentagon ist gesetzlich verpflichtet, dem Kongress und der Öffentlichkeit jährlich einen Bericht über „militärische und sicherheitspolitische Entwicklungen in der Volksrepublik China (PRC)“ in den nächsten 20 Jahren vorzulegen. Die Version für das Jahr 2022, 196 Seiten mit detaillierten Informationen, die am 29. November letzten Jahres veröffentlicht wurde, konzentriert sich auf die gegenwärtige und zukünftige militärische Bedrohung der Vereinigten Staaten durch China. In zwei Jahrzehnten, so wird uns versichert, wird Chinas Militär – die Volksbefreiungsarmee (People’s Liberation Army, PLA) – hervorragend ausgerüstet sein, um Washington entgegenzutreten, sollte es zu einem Konflikt um Taiwan oder die Schifffahrtsrechte im Südchinesischen Meer kommen. Aber schockierend ist: Auf den fast 200 Seiten der Analyse findet sich kein einziges Wort über Chinas Rolle bei der größten Bedrohung unserer Sicherheit in den kommenden Jahren: dem unaufhaltsamen Klimawandel. […]
Es gibt drei Gründe, warum das Thema nicht nur aufgenommen, sondern ausführlich behandelt werden sollte. Erstens ist China heute und in Zukunft der weltweit größte Verursacher von klimaschädlichen Kohlenstoffemissionen, während die Vereinigten Staaten – obwohl sie historisch gesehen der größte Verursacher sind – an zweiter Stelle stehen. Jede Bemühung, die globale Erwärmung zu verlangsamen und die „Sicherheit“ dieses Landes wirklich zu verbessern, muss daher eine starke Motivation Pekings zur Reduzierung seiner Emissionen sowie eine Zusammenarbeit bei der Dekarbonisierung der Energieversorgung zwischen den beiden größten Emittenten auf diesem Planeten beinhalten. Zweitens wird China in den kommenden Jahren selbst extremen Schäden durch den Klimawandel ausgesetzt sein, was die Fähigkeit der VR China, ehrgeizige militärische Pläne zu verwirklichen, wie sie im Pentagon-Bericht von 2022 beschrieben werden, stark einschränken wird. Ab 2042 muss man damit rechnen, dass die amerikanischen und chinesischen Streitkräfte den Großteil ihrer Ressourcen und ihrer Aufmerksamkeit der Katastrophenhilfe und dem Wiederaufbau widmen werden, was ihre Motive als auch ihre Kapazität, gegeneinander Krieg zu führen, vermindert. […]
Natürlich werden auch die USA in den kommenden Jahren die immer schwerwiegenderen Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen und möglicherweise selbst nicht mehr in der Lage sein, Kriege in fernen Ländern zu führen – eine Überlegung, die im Pentagon-Bericht ebenfalls völlig außer Acht gelassen wird. […]
„Wir werden das Klima zu einer nationalen Sicherheitspriorität erheben“, erklärte Verteidigungsminister Lloyd Austin im März 2021, „indem wir Klimaüberlegungen in die Politik, die Strategien und die Zusammenarbeit mit Partnern des Ministeriums integrieren.“
In einem Bericht über die Anfälligkeit des Militärs für den Klimawandel aus dem Jahr 2021 gab das Pentagon weitere Informationen zu solchen „Partner-Engagements“. „Es gibt viele Möglichkeiten für das Ministerium, Klimaerwägungen in das Engagement mit internationalen Partnern zu integrieren“, so der Bericht, „einschließlich der Unterstützung ressortübergreifender Diplomatie und Entwicklungsinitiativen in Partnerländern [und] des Austauschs bewährter Praktiken.“ Eine dieser Bemühungen ist die Pacific Environmental Security Partnership, ein Netzwerk von Klimaspezialisten aus dieser Region, die sich jährlich auf dem vom Pentagon gesponserten Pacific Environmental Security Forum treffen.
China gehört derzeit nicht zu den Ländern, die an dieser oder anderen vom Pentagon geförderten Klimainitiativen beteiligt sind. Da jedoch beide Länder immer ernstere Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs zu spüren bekommen und ihre Militärs gezwungen sind, immer mehr Zeit und Ressourcen für die Katastrophenhilfe aufzuwenden, ist ein Informationsaustausch über „bewährte Praktiken“ bei der Reaktion auf den Klimawandel sehr viel sinnvoller als ein Krieg um Taiwan oder kleine unbewohnte Inseln im Ost- und Südchinesischen Meer (von denen einige bis zum Ende des Jahrhunderts vollständig unter Wasser stehen werden). In der Tat sind sich das Pentagon und die PLA bei der Bewältigung der klimatischen Herausforderung ähnlicher als die meisten anderen Streitkräfte der Welt, und so sollte es im beiderseitigen Interesse beider Länder liegen, die Zusammenarbeit in diesem für jedes Land äußerst kritischen Bereich in unserer Zeit zu fördern. […]