Sozial-ökologische Konversion rückwärts
Aktionszeitung für eine Verkehrswende mit Zukunft
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Waggonbau Görlitz muss bleiben
Aus dem Beitrag von Jörg Bergstedt und Tobi Rosswog:
Was in den Aufbau militärischer Infrastruktur geht, fehlt bei sozialen, kulturellen und Umweltschutzprojekten.
In der geteilten Neißestadt Görlitz (polnischer Teil: Zgorzelec) zeigt sich beides in einem einzigen Projekt. Denn dort wird eine Fabrik mit langer Tradition im Waggonbau, die aktuell der Firma Alstom gehört, auf Panzerbau umgerüstet – unter der Regie der deutsch-französischen Wehrtechnikgruppe KNDS, Hersteller des Leopard.
Produzieren für den Tod statt für das Leben: Das ruft Friedens- und Umweltaktivist:innen auf den Plan. Sie wollen das doppelte Desaster mit kreativen Aktionen öffentlich machen, die Beschäftigten genauso wie die dort Wohnenden für die Beibehaltung des Waggobaus gewinnen. Angesichts der Dimensionen, die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung gerade annehmen, ist die Debatte darum noch bedenklich leise. Da gilt es, etwas in Gang zu schieben.
Wir hoffen, am Ende eine grundsätzliche Entscheidungsfrage stellen zu können: Sollen Wirtschaft und staatliches Handeln Profit, Macht und Tod dienen – oder einem besseren Leben der Menschen? […]
Konversion rückwärts
aus einem Beitrag von German Foreign Policy (21.4.2025)
Deutsche Bundesländer setzen, um das Schrumpfen ihrer Wirtschaft zu verhindern, auf den Ausbau der Rüstungsindustrie. Diese erwartet Aufträge in vielfacher Milliardenhöhe, fürchtet aber Mangel an industrieller Kapazität und Personal.
Mehrere deutsche Bundesländer treiben, um dem Schrumpfen ihrer Wirtschaftsleistung zu entkommen, den Ausbau der Rüstungsindustrie energisch voran. Baden-Württemberg etwa will die Branche zu einem neuen industriellen Schwerpunkt aufwerten und strebt dabei in möglichst vielen Rüstungssparten „Technologie-Führerschaft“ an. Die Regierung des Saarlands bereitet einen „Rüstungsgipfel“ vor und wirbt bei führenden Waffenschmieden um die Ansiedlung neuer Fabriken. Einer aktuellen Untersuchung zufolge konnten im vierten Quartal 2024 nur fünf Bundesländer ein Wirtschaftswachstum erzielen; in dreien von ihnen habe „der Aufschwung in der Rüstungsindustrie … eine zentrale Rolle“ gespielt, heißt es in einer Analyse des Münchner ifo-Instituts. Die Hoffnung auf einen neuen Rüstungsaufschwung gründet sich darauf, dass in Deutschland und der EU bis zum Jahr 2030 bis zu einer Billion Euro zusätzlich in die Aufrüstung fließen sollen. Insider warnen, es sei unklar, ob die industriellen Kapazitäten sowie das verfügbare Personal ausreichten, um derlei Summen in konkrete Rüstungsproduktion umzusetzen. Hilfreich sei die Übernahme bisher ziviler Fabriken und Fachkräfte etwa aus der schwächelnden Kfz-Industrie.
[…]Panzer statt Pkw
Unklar ist, ob die deutsche Industrie das angestrebte rasante Rüstungswachstum tatsächlich stemmen kann. Ursache ist zum einen, dass die nötigen industriellen Kapazitäten nicht in ausreichendem Maß vorhanden sind. Rüstungsunternehmen haben begonnen, ihre Fabriken auszubauen und neue Werke zu errichten; Rheinmetall-Chef Armin Papperger etwa berichtete kürzlich: „Wir haben in Europa zehn Werke, die wir derzeit verdoppeln oder komplett neu bauen“.[6] Dieser Ausbau lässt sich allerdings nicht – gleichsam auf Knopfdruck – beliebig beschleunigen. Spezialisten äußern, die deutsche Industrie sei fähig, einen „Aufwuchs der Rüstungsausgaben … im mittleren einstelligen Milliardenbereich“ alleine „mit organischem Wachstum“ zu stemmen.[7] „Ginge der Aufwuchs deutlich darüber hinaus“ – und darauf zielt Berlin –, „müssten Kapazitäten aus anderen rüstungsnahen Industrien verschoben werden“. Dies hat bereits begonnen. So hat der deutsch-französische Panzerbauer KNDS angekündigt, ein Eisenbahnwerk des französischen Konzerns Alstom in Görlitz zu übernehmen. Darüber hinaus zieht Rheinmetall einen Erwerb des Volkswagen-Werks in Osnabrück in Betracht. Rheinmetall hat zudem mitgeteilt, seine Standorte in Neuss und Berlin, an denen bislang Kfz-Teile zur zivilen Nutzung hergestellt werden, künftig für die Produktion von Kriegsgerät zu nutzen. […]