6 Exemplarische Rüstungsprojekte
Umweltauswirkungen von 100 Milliarden Euro für Rüstungsinvestitionen
Problemaufriss und Kurzstudie
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Inhalt
6.1 Kampfjet F-35
Abb. 6-1: Kampfjet F-35 (Quelle: Wikipedia)
Eckdaten
Wirtschaftsplan zum BwFinSVermG: Für eine geplante Stückzahl von 35 sind Beschaffungskosten von 8,4 Mrd. US-Dollar veranschlagt, gemäß Stand vom Juli 2022.
In Produktion (inkl. Prototyp): ab 2000 – 2001
produzierte Stückzahl bis Ende 2021: ca. 750
Stückpreis Beschaffung1Der hier genannte Stückpreis ist nur ein grober Anhaltswert, da dieser sich aus einer Mischung von variablen Kosten aufgrund der Stückzahlen, der Einbeziehung von Betriebsmaterial pro Einheit und Fixkosten für die zugehörige Infrastruktur ergeben. Überschlägig kann man davon ausgehen, dass mindestens 30% der Beschaffungskosten als Fixkosten bzw. Systemkosten anzusehen sind. ca. 250 Mio. Euro
Merkmale und Fähigkeitsprofil
Der F-35 gilt nicht nur als das teuerste und ambitionierteste Rüstungsprojekt des US-Militärs, sondern ist bis heute jedoch mit massiven Verzögerungen der „vollen Serienproduktion“ verbunden, was mit dem beabsichtigten Fähigkeitsprofil als „fortschrittlichstes und tödlichstes Kampfflugzeug“ zu tun hat.2https://en.wikipedia.org/wiki/Lockheed_Martin_F-35_Lightning_II Für die Bundeswehr ist ein Großteil der bestellten Kampfjets als Trägersystem für die im Fliegerhorst Büchel lagernden US-Atomwaffen vorgesehen, die – nach erfolgter Modernisierung – nur auf US-zertifizierten Kampfjets bestückt werden dürfen. Die F-35-Kampfjets sollen damit die vor mehr als 40 Jahren eingeführte Tornado-Flotte ablösen, die für das bisherige Atomwaffenarsenal als Trägersystem diente.
Produktion und Projektstatus
Produziert wird der F-35 von Lockheed Martin. Für die Bestellung durch die Bundeswehr wird eine Beteiligung deutscher Firmen zur Produktion einzelner Teile oder an der Instandhaltung gewünscht.3https://esut.de/2022/06/meldungen/34947/f-35-der-bundeswehr-lockheed-martin-bereitet-vertrag-vor/
Seitens des US-Rechnungshofes GAO wurden bereits mehrere kritische Berichte publiziert, die sich von der Beauftragung im Jahr 2001 bis heute hinziehen. In dem umfangreichen „Cost Estimating and Assessment Guide“4https://www.gao.gov/assets/gao-20-195g.pdf vom März 2020 wird auf mehrere frühere Fallstudien zum F-35 hingewiesen. Auch nach fast zwei Jahrzehnten der Entwicklung existieren noch immer über 800 bekannte Mängel, weshalb eine F-35 im Schnitt nur zu 40% der Zeit voll einsatzbereit ist.
Land |
Quelle |
LCC*) |
---|---|---|
Standardwert5Siehe dazu Kap. 3 und Mikeska, 2022 |
2,5 |
|
Kanada 2014 |
KPMG-Gutachten im Regierungs-auftrag: 9 Mrd. CA-Dollar, |
5,0 |
Kanada 2021 |
Beschaffung 19 Mrd. CA-Dollar, LCC-Kosten 76,8 Mrd. CA-Dollar7https://pbicanada.org/2021/11/25/likelihood-of-f-35-purchase-increases-as-boeing-reportedly-dropped-from-canadas-fighter-jet-procurement-process/ |
4,0 |
Schweiz (1) |
Offizielle Schätzung: LCC-Kosten 15,5 Mrd. Franken bei 5 Mrd. für Beschaffung8nach einem Kommentar der Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee (GSOA): https://www.gsoa.ch/anhang-erlaeuterungen-der-allianz-gegen-den-f-35-zum-bericht-der-efk/ |
3,1 |
Schweiz (2) |
von André Blattmann, früherer Chef der Schweizer Armee9Quelle wie vor. Jährlich 12% des Anschaffungspreises über 30 Jahre. |
4,6 |
Deutschland |
Mikeska, 202210Bei dem vom Autor zu niedrig angesetzten Beschaffungswert von 5,7 Mrd. Euro veranschlagt er konservativ 20 Mrd. Euro. |
3,5 |
Tab. 6-1: Abschätzung der Lebenszykluskosten F-35 *) LCC-Faktor in Bezug auf Beschaffungskosten |
Spezifische Umweltbelastungen
Die Problematik der Materialressourcen in der Produktion wurde bereits durch in Kap. 4 exemplarisch dargestellt. Dieses beinhaltet die Vielzahl der (im Detail nicht bekannten) Titan-Speziallegierungen und der großen Mengen an Seltenen Erden (ca. 450 kg).
Pro Flugstunde werden (nach unterschiedlichen Angaben) mehr als 5.000 l Kerosin verbraucht, was um um 60% höher liegt als als bei dem seit Jahrzehnten im Einsatz befindlichen US-Kampfjet F-16.
Welche Belastungen damit letztlich durch die hierdurch verursachten Treibhausgasemissionen entstehen, ist hingegen schwierig zu berechnen, da man wegen der technischen Probleme nicht 8.000 Betriebsstunden (als definierte „Service lifetime“), sondern evtl. nur ein Viertel dessen über den Lebenszyklus ansetzen kann.11https://rabble.ca/environment/cop26-and-the-carbon-pollution-from-canadas-new-fighter-jets/ Dieses wird jetzt von Lookheed-Martin energisch bestritten. Siehe dazu: https://www.popularmechanics.com/military/aviation/a26102065/f-35s-unflyable/
Bei einer Nutzungszeit über 40 Jahre würden sich 8.000 Flugstunden verteilen auf 200 Stunden jährlich.
Die Lärmbelastung des F-35 ist sehr hoch im Vergleich zu anderen Kampfjets und hat bereits an vorhandenen Stationierungsorten in den USA zu Protesten geführt.12Beispiel aus der Stadt Winooski im Bundesstaat Vermont: https://www.winooskivt.gov/DocumentCenter/View/3073/F35-Operations-Update—4920?
Fazit
Die Lebenszykluskosten betragen nach verschiedenen Schätzungen bis zum 5-fachen des Anschaffungspreises, während bisher bei Kampfjets der Wert 2,5 als Standard galt.
Einhergehend mit den hohen Betriebskosten ergeben sich auch erheblich höhere Umweltbelastungen durch einen höheren Kerosinverbrauch von ca. 60% gegenüber Standardwerten sowie ein wesentlich höherer Fluglärm an den Stationierungsorten und den Luftraum-Übungszonen.
Die Einsatzfähigkeit des F-35 liegt weit unter dem Durchschnitt von typischen Kampfjets bedingt durch die technologische Hyper-Komplexität. Eine evtl. stark reduzierte Einsatzfähigkeit im Sinne von eingeschränkten Betriebsstunden bedeutet zwar weniger THG-Emissionen, jedoch anderweitig höhere Kosten durch den hohen Instandhaltungsaufwand. Dieses erklärt auch, weshalb die vorhandenen Abschätzungen der Lebenszykluskosten weit auseinander gehen.
Die Beschaffung durch die Bundeswehr ist auch der politischen Fixierung auf die atomare Teilhabe an den künftig im Fliegerhorst Büchel lagernden, modernisierten US-Atomwaffen geschuldet.13Zu einer umfassenden Kommentierung zum Kampfjet F-35 durch den Autor siehe: https://www.heise.de/tp/features/Milliardengrab-Kampfjet-F-35-auch-fuer-Deutschland-7339496.html
6.2 Schützenpanzer Puma
Abb. 6-2: Schützenpanzer Puma (Quelle: Wikipedia)
Eckdaten
Wirtschaftsplan zum BwFinSVermG: Vorgesehen ist die Umrüstung eines großen Teils der bereits an die Bundeswehr ausgelieferten Schützenpanzer. (Text im Wirtschaftsplan: „Optionsauslösung konsolidierter Nachrüstung aller restlichen Puma 1. Los“)
In Produktion (inkl. Prototyp): seit 2000
Produzierte Stückzahl (für die Bundeswehr) bis Ende 2021: 350
Produktion durch: Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall Landsysteme
Beschaffungskosten für die Bundeswehr: mind. 12 Mrd. Euro inkl. derzeit geplanter Nachrüstungen
Stückpreis Beschaffung ca. 17 – 34 Mio. Euro
Merkmale und Fähigkeitsprofil
Der Puma ist einer der schwersten und derzeit der teuerste sowie von der Motorleistung her stärkste Schützenpanzer der Welt.
In dem 15. Bericht des BMVg zu Rüstungsangelegenheiten heißt es:
„Das Waffensystem PUMA trägt wesentlich zur Auslastung und damit Sicherung der nationalen Fertigungskapazitäten im Bereich der nationalen Schlüsseltechnologie gepanzerte Fahrzeuge (Kette) bei. Aus rüstungsindustriepolitischer Sicht unterstützt die Entwicklung und Beschaffung des SPz PUMA daher die Versorgungssicherheit der Bundeswehr und dient als Brückentechnologie für das Main Ground Combat System (MGCS). Zudem werden weiterhin Ingenieurskapazitäten im Rahmen der beschaffungsbegleitenden Entwicklungsarbeiten ausgelastet.“145. Bericht des BMVg zu Rüstungsangelegenheiten Juni 2022 https://www.bmvg.de/resource/blob/5456944/a2db4dc6bd4c5873113e39ad9292f269/20220629-download-15-bericht-des-bmvg-zu-ruestungsangelegenheiten-data.pdf
Unklar bleibt im Wirtschaftsplan, inwieweit der ursprünglich mit dem Puma abzulösende Vorgänger Marder eigenständig und für andere Anwendungen neu entwickelt werden soll.
Produktion und Projektstatus
Der Schützenpanzer Puma gilt zwar als hochmodern, ist jedoch einer großen zeitlichen Verzögerung und hoher Kostensteigerung unterworfen. Aufgrund vieler technischer Mängel und erforderlicher Nachrüstungen – die auf bis zu 4 Mrd. Euro beziffert werden – wird mit einer vollen Einsatzbereitschaft inoffiziell nicht vor dem Jahr 2030 gerechnet.
Im August 2021 war die Lieferung des ersten Loses mit 342 Schützenpanzern Puma (plus 8 Trainingsfahrzeuge) abgeschlossen. Allerdings sind lediglich 40 Stück davon als „kriegstauglich“ zertifiziert, um ihren Dienst in der ultraschnellen Nato-Eingreiftruppe VJTF versehen zu können.
Fazit
Der Schützenpanzer Puma steht exemplarisch für ein überteuertes Projekt, was auch daran ersichtlich wird, dass die Hersteller damit bisher keine weiteren Kunden für den Export gewinnen konnten. Die massive Umrüstung direkt nach der Auslieferung macht eine Unterscheidung zwischen Beschaffungs- und Folgekosten praktisch unmöglich.
Das volatile Fähigkeitsprofil bei nicht vorhandener Modularität führt zudem zu einer unklaren Einordnung für die langfristige Nutzung. Dieses gilt sowohl für das aktuelle Umfeld mit dem zur Ablösung anstehenden Schützenpanzer Marder als auch für das Zukunftsprojekt MGCS. Weitere Kostenprognosen sind damit kaum möglich, jedoch dürfte der für Landfahrzeuge typische Kostenanteil von 55% in der Nutzungsphase weit überschritten werden.15siehe Tab. 3-1 zur typischen LCC-Struktur
6.3 Fregatte 126
Abb. 6-3: Vorgängermodell Fregatte F125 (Quelle: Wikipedia)
Eckdaten
Wirtschaftsplan zum BwFinSVermG:Aufstockung der bisher geplanten Stückzahl als Inanspruchnahme der bisher vorhandenen Option auf zwei weitere Fregatten
Produktion von 2023 bis 2030: Vier Stück
Beschaffungskosten für die Bundeswehr: 6 Mrd. Euro (im Bundeshaushalt veranschlagt) für die ersten vier Schiffe, inkl. Landanlagen
Stückpreis Beschaffung ca. 1,4 – 1,5 Mrd. Euro
Produktion durch: Damen Shipyards Group (NL) mit größtem Teil der Produktion in Deutschland
Merkmale und Fähigkeitsprofil
Das Projekt ist der größte Schiffsbauauftrag in der Geschichte der Bundesrepublik.
Zugrunde gelegt wird, dass sich die Einsatz-Szenarien rasch ändern können. Deshalb sollen die Schiffe durch austauschbare Module weltweit von arktischen bis tropischen Gewässern, sowie auf Hoher See, auf Randmeeren und im Küstenvorfeld einsetzbar sein. Auch während eines Einsatzes soll noch eine modulare Anpassung erfolgen können. Missionsmodule sind z.B. solche für die U-Boot-Bekämpfung, sowie für Gewahrsam und Ausbildungseinrichtungen.
Projektstatus
Die erste F126 soll nach Plan 2028 einsetzbar sein am Standort Wilhelmshaven. Der Beschaffungsprozess des zunächst als MKS180 bezeichneten Projektes erwies sich in einem mehrjährigen Ausschreibungsverfahren als kompliziert. Hintergrund ist die damit verbundene Rolle der deutschen Werften im künftigen Bau von Überwasserschiffen für die Deutsche Marine. So hatte die Damen-Werft nach dem Zuschlag für die neuen Schiffe angekündigt, dass ca. 80% der gesamten Nettoinvestitionen als Wertschöpfung in Deutschland verbleiben. Der Bau der Schiffe erfolgt bei Blohm+Voss in Hamburg unter Einbeziehung weiterer Werftstandorte der norddeutschen Lürssen-Gruppe und damit vollständig in Deutschland.
Aus Sicht der deutschen Werft-, vor allem aber der Zulieferindustrie und dabei vor allem der Lieferanten elektronischer Ausrüstung schien lange Zeit unsicher, zu welchem Grad diese Zusage erfüllt wird.
Erst nach dem Zuschlag für Damen Shipyards wurde auch die Festlegung von Schlüsseltechnologien (vgl. dazu Kap. 2.3) mit Vorrang für eine Vergabe in Deutschland so geändert, dass dieser Überwasserschiffbau darunter fällt.16Zitiert aus: https://augengeradeaus.net/2020/06/bundestags-haushaltsausschuss-billigt-neue-kriegsschiffe-mks180/
Spezifische Umweltbelastungen
In Kap. 4 wurde bereits auf den hohen Ressourceneinsatz am Beispiel des Vorgängermodells F125 hingewiesen. Auch die neue Fregatte 126 wird mit Dieselaggregaten ausgestattet17https://hansa-online.de/2022/09/schiffstechnik/201294/rolls-royce-antriebe-fuer-vier-f126-fregatten/ und bleibt auf die Nutzung fossiler Kraftstoffe angewiesen. Im Unterschied zu einem Kampfjet befindet sich eine Fregatte aber – abgesehen von Anlandungen für Umrüstungen und Instandhaltungsmaßnahmen – praktisch im Dauereinsatz.
Fazit
Das Projekt F126 steht exemplarisch für das Prinzip der nationalen Schlüsseltechnologien, das bei Vergabeverfahren zugrunde gelegt wird und letztlich als wesentlicher Kostentreiber anzusehen ist. Volatile Fähigkeitsprofile sollen mit austauschbaren Modulen gelöst werden, bei denen jedoch unklar ist, welcher logistische Aufwand in der Nutzungsphase dafür erforderlich wird. Gegenüber dem im Schiffsbau typischen Anteil von 65%.18siehe dazu Kap. 3 mit Tab. 3-1 zur typischen LCC-Struktur für die Nutzungsphase kann in diesem Fall von erheblich höheren Folgekosten ausgegangen werden.
Dieses ergibt sich auch aus der politisch forcierten Zielsetzung, dass die Bundesmarine „auf allen Weltmeeren“ präsent sein soll. Damit ergeben sich zwangsläufig wesentlich erhöhte Infrastrukturkosten, deren Bilanzierung im Sinne von Scope 3 der THG-Emissionen jedoch unklar bleiben dürfte.
6.4 Gesamtprojekt MGCS/FCAS
Abb. 6-4: Modell FCAS mit begleitenden Kampfdrohnen auf der Luftfahrtausstellung 2019 in Paris (Quelle: Wikipedia)
Eckdaten
Start des Gesamtprojektes: 2018 als deutsch-französisches Entwicklungsvorhaben
Stichworte: Multiplattformkonzept, „System of Systems“
Wirtschaftsplan zum BwFinSVermG: Die größten und wichtigsten Geldbeträge für Entwicklungsprojekte fließen in die beiden Teilprojekte Main Ground Combat System (MGCS) und Future Combat Air System (FCAS). Wegen der Stückelung der Geldbeträge kann jedoch kein genauer Betrag angegeben werden. Über den gesamten Zeitraum für Forschung und Entwicklung muss aber angesichts einer Produktionsplanung ab 2040 ein zweistelliger Milliardenbereich veranschlagt werden. Hingegen können die im Wirtschaftsplan enthaltenen, separat ausgewiesenen 0,4 Mrd. Euro für künstliche Intelligenz (KI) als Bestandteil dieses Gesamtprojektes gesehen werden.
Merkmale und Fähigkeitsprofil
Zur Ablösung bestehender Systeme für Boden- und Luftkampfführung werden seit einigen Jahren Konzepte entwickelt, mit denen ein neuartiger Systemverbund bemannter und unbenannter Einzelsysteme erreicht werden soll. Mehrere vorhandene Rüstungsprojekte wie z.B. der Eurofighter, der Kampfpanzer Leopard 2 und der Schützenpanzer Puma werden derzeit modernisiert mit „Brückentechnologien“ für das künftige Verbundsystem FCAS/MGCS. Hierfür sind im Wirtschaftsplan zum Bundeswehr-Sondervermögen einstellige Milliardenbeträge als Entwicklungskosten vorgesehen. Die Gesamthöhe der zu erwartenden Kosten über einen daraus sich ergebenden Lebenszyklus, der theoretisch in dem Zeitraum von 2040 bis 2080 angesiedelt wäre, bleiben aber mangels definierter Fähigkeitsprofile und Kriegsszenarien hoch spekulativ.
Kampfjet FCAS
Vor allem FCAS ist das Schlüsselprojekt für den Aufbau einer EU-Militärmacht, das von Deutschland und Frankreich mit Spanien als Juniorpartner entwickelt wird. Als Kampfjet der 6. Generation wird eine Auslieferung ab 2040 angepeilt. Neben Tarnkappeneigenschaften soll dieser vor allem im Verbund mit bemannten und unbemannten Systemen agieren.
Prinzipiell werden militärische Fähigkeiten zugrundegelegt, bei denen ein Pilot im FCAS-Kampfjet-von KI-Algorithmen unterstützt Drohnenschwärme einsetzt. Das Luftkampfsystem soll wiederum mit den Bodenoperationen ebenfalls über KI-Algorithmen vernetzt sein und mit den Kampfpanzern als Gesamtsystem operieren. Dieses wäre deshalb als Quantensprung zu einer vollautomatischen Kriegsführung mit Kampfrobotern anzusehen.
Innerhalb des FCAS wird das Next Generation Weapon System (NGWS) die zukünftige Kernfähigkeit in einem Future Operating Environment abbilden. Dabei ist das NGWS ein eigenes „System of Systems“, bestehend aus einer bemannten oder optional bemannten Plattform und unbemannten Komponenten, das in den FCAS-Verbund zu integrieren sein wird.
Kampfpanzersystem MGCS
Das MGCS soll als deutsch-französisches Projekt ab 2035 die Kampfpanzer Leopard 2 in Deutschland und Leclerq in Frankreich ersetzen. Bei diesem Schlüsselprojekt für den Aufbau einer deutsch-französisch geführten Militärmacht Europa handelt es sich nicht bloß um einen Panzer, sondern um „ein ganzes Verbundsystem, eine Kombination aus heute zum Teil noch futuristisch anmutender Hochtechnologie, Big Data und Waffentechnik„.19https://www.reservistenverband.de/loyal-printausgabe/loyal-titelthema-der-ausgabe-april-2021/ Im Klartext geht es dabei darum, dass künftige Kampfpanzer vor allem gegen Angriffe von Kampfdrohnen gewappnet sein müssen, wozu nicht nur der passive mechanische Schutz, sondern auch das enge Zusammenwirken mit Luftaufklärung via Kampfjets gehören soll.20Erläutert wird das in einem Beitrag der Fachzeitschrift ESUT unter dem Titel: „Warum ein Main Ground Combat System und kein Leopard 3?“. Quelle: https://esut.de/2022/08/fachbeitraege/35674/warum-ein-main-ground-combat-system-und-kein-leopard-3/
Projektstatus und Kosten
Im Projekt FCAS sollen – in einem ersten Schritt mit Blick auch das Ziel „System of Systems“ – die erforderlichen Technologien für ein neues Kampfflugzeugsystem in den Bereichen Flugzeug, Triebwerk, unbemannte Komponenten, Systemverbund, Sensoren, Tarnfähigkeiten („Signaturreduzierung“) und Simulationsumgebung zur Entwicklungsreife gebracht werden. Die Nutzbarkeit der Technologien soll auf zu entwickelnden Demonstratoren nachgewiesen werden, bevor das Projekt im Anschluss in die Design- und Entwicklungsphase übergeht.21https://www.bmvg.de/de/aktuelles/investitionen-in-die-luftwaffe-der-zukunft-5099108 Für das Einzelprojekt MGCS werden bis zur vorgesehenen Realisierungsphase 1,5 Mrd. Euro veranschlagt.22https://esut.de/2020/03/meldungen/ruestung2/19390/mgcs-studien-fuer-die-nachfolge-der-derzeitigen-kampfpanzergeneration/ Offen ist auch, ob die seit Beginn des Projektes vorhandenen Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten Industrieunternehmen für eine langfristige Kooperation tragfähig sind.23Siehe dazu: https://www.defensenews.com/global/europe/2019/02/15/taking-sides-italian-defense-industry-rep-attacks-franco-german-fighter-deal/ Dieses gilt insbesondere für die politisch gewünschten Zeitplanungen bis 2040.24https://esut.de/2022/06/meldungen/34744/dassault-zeitplan-fuer-fcas-nicht-mehr-einzuhalten/
Die an verschiedenen Stellen genannten Kosten speziell für FACS sind wegen fehlender Quellenbezüge nicht belastbar. Für eine erste Annäherung können deshalb folgende Zahlen als Orientierung dienen:
Kosten für Forschung und Entwicklung: 25 Mrd. Euro (über den Beginn der Realisierungsphase 2028 hinaus).
Produktionskosten für Ablösung vorhandener Kampfpanzer Leopard 2 und Leclerq sowie vorhandener Kampfjets Tornado und Eurofighter: ca. 75 Mrd. Euro (Faktor 3 zu F&E-Kosten).
Kosten über Lebenszyklus: ca. 500 Mrd. Euro (Faktor 5 zu Summe Herstellungskosten).
Spezifische Umweltbelastungen
Die hohen Entwicklungskosten des Gesamtprojektes binden bereits heute wichtige Humanressourcen zur Entwicklung destruktiver Systeme. Dieses geht damit zwangsläufig zu Lasten der Entwicklung von Technologien und übergreifenden Systemlösungen, die für eine ökologische Energieversorgung notwendig sind (siehe dazu Kap. 4). Dieses erfordert nämlich vor allem digitale Verbundlösungen als Sektorenkopplung von verschiedenen Systemen der Wärme- und Stromerzeugung. Hierzu sind industrielle Weiterentwicklungen von prinzipiell bereits vorhandenen Technologien notwendig, was enorme Humanressourcen erfordert.
Die Konkurrenz um knappe Materialressourcen wäre in der späteren Realisierungsphase eine weitere ökologische Zuspitzung.
Fazit
Das Gesamtprojekt FCAS/MGCS wird diktiert von Sekundärinteressen und nicht von einem Fähigkeitsprofil, das für den theoretischen Zeitraum von 2040 bis 2080 ohnehin nicht definiert werden kann. Dieses führt bei den Projektpartnern sowohl auf der politischen wie auf der industriellen Ebene zwangsläufig zu ständigen Streitfragen, in welche Richtung und mit welchen Schwerpunkten die Entwicklung laufen soll.
Die tatsächlichen maßgebenden Sekundärinteressen sind:
-
Kampf um technologische Führung im Proporz Deutschland und Frankreich sowie der Einbeziehung Spaniens;
-
Auswahl von Entwicklungs- und Produktionsstandorten als nationale Wirtschaftsförderung;
-
Konkurrenz innerhalb der NATO-Staaten durch laufende Eigenentwicklungen;
-
Exportinteressen, die zu Zielkonflikt zwischen vermeintlicher technologischer Spitzenklasse und den Erfordernissen einer frühzeitigen Marktreife und zu erwartenden Lebenszykluskosten führen;
-
Berücksichtigung der bei Rüstungsgütern prinzipiell nicht lösbaren Probleme für eine Klimaneutralität innerhalb des international und national definierten Zeithorizonts.
Alle Sekundärinteressen können auch als Kostentreiber angesehen werden.
Literaturhinweise
Byers, Michael. 2014
The Plane That Ate the Canadian Military | Hrsg.: Canadian Centre for Policy Alternatives
https://policyalternatives.ca/sites/default/files/uploads/publications/National%20Office/2014/04/The_Plane_That_Ate%20_Canadian_Military.pdf
Lorincz, Tamara. 2022
Soaring: The Harms and Risks of Fighter Jets and why Canas must not buy a new Fleet | Hrsg.: Women’s International League for Peace & Freedom (WILPF) Canada
https://wilpfcanada.ca/wp-content/uploads/2022/02/03-Harms-of-Fighter-Jets-Report_Final.pdf
Mikeska, Johannes. 2022
Die F-35: Viel Geld für wenig Sicherheit | Hrsg: Greenpeace e.V.
https://www.greenpeace.de/infomaterial/F35Bomber.pdf