Damit die Panzer rollen
Berlin treibt mit Blick auf einen etwaigen Krieg gegen Russland den Ausbau von Straßen, Schienen und Brücken in Richtung Osten voran – auch mit zivilen Mitteln. Experten fordern Investitionen in bis zu dreistelliger Milliardenhöhe.
von German Foreign Policy vom 27.6.2024
Quelle: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9599 (Bezahlschranke)
Auszüge:
Berliner Regierungsberater fordern kurzfristig für „die dringendsten“ Maßnahmen zur Vorbereitung der deutschen Verkehrsinfrastruktur auf einen Krieg gegen Russland „mindestens“ 30 Milliarden Euro. Wie die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in einer aktuellen Studie schreibt, sei diese Summe erforderlich, um insbesondere Straßen, Schienen und Brücken für den Transport von Truppen und großen Mengen militärischen Materials in Richtung Osten vorzubereiten. Hinzu kommen – aufgrund des ausgeprägten Dual-Use-Charakters der Verkehrsinfrastruktur – milliardenschwere Investitionen, die Berlin für zivile Verkehrsprojekte zur Verfügung stellt.[…]
Autobahn gen Osten
Ein konkretes Beispiel für den Ausbau militärischer Mobilität über zivile Infrastrukturprojekte ist die umstrittene A20, die sogenannte Küstenautobahn in Schleswig-Holstein. Mit der A20 entstehe „eine wichtige Ost-West-Verbindung“ für Truppenbewegungen, erläutert der Kommandeur des Bundeswehr-Landeskommandos Schleswig-Holstein, Axel Schneider. Die neue Autobahn biete „weitere Optionen, die Häfen an Nord- und Ostsee miteinander zu verbinden“. Über beide Meere verlaufen wesentliche transatlantische Marschrouten in Richtung NATO-Ostflanke. Schleswig-Holstein müsse sich darüber hinaus „darauf einstellen, wichtiger militärischer Raum für Truppenbewegungen aus und in den nordeuropäischen Raum zu werden“, erklärt Schneider, dem zufolge Deutschland den Friedenszustand bereits verlassen hat: „De jure sind wir nicht im Krieg, de facto nicht mehr im Frieden“.[3]
Panzerzüge
Noch höhere Bedeutung für Militärtransporte als die Straßen besitzt das Schienennetz. Das Gleissystem sei „der wichtigste Bestandteil der militärischen Logistik“, heißt es in der DGAP-Studie zur militärischen Mobilität. Die Transportkapazitäten der Bahn seien weder durch Straßen noch durch Wasserwege oder Lufttransporte zu kompensieren; Gleise seien bei einem Aufmarsch gegen Russland „der Hauptkanal“, um „große Mengen an Truppen und schwerem Gerät“ von Bundeswehr und verbündeten Streitkräften zu verlegen. Allein für die dringendsten Bahn-Investitionen der nächsten drei Jahre seien 88 Milliarden Euro notwendig, heißt es in der Studie.[4] Im Rahmen der EU-Programme im Bereich militärische Mobilität hat die Bundesregierung ein Projekt mit dem Titel „Gezielter Ausbau der Ost-West-Schieneninfrastruktur“ eingereicht. Mit den EU-Geldern will Berlin einen Gleisanschluss am Bahnhof Sechtem zwischen Köln und Bonn sowie ein Straßen-Schienen-Terminal in Ulm-Dornstadt ausbauen; zudem soll eine neue Brücke in Hannover-Ahlem errichtet werden. Das zuständige Bundesverkehrsministerium pflege eine enge Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium, heißt es. Insgesamt sind für die Projekte rund 183 Millionen Euro eingeplant, wovon die EU rund 92 Millionen Euro übernimmt.[5]
Militär hat Priorität
Trotz umfassender Probleme beim Sicherstellen des zivilen Bahnverkehrs, der seit Jahren unter immer gravierenderen Verspätungen und Zugausfällen leidet, fordert die DGAP bei Investitionen in das Schienennetz eine Priorisierung der militärisch relevanten Streckenabschnitte – ausdrücklich der Strecken zwischen Bremen und Osnabrück bzw. Osnabrück und Münster.[6] Neben dem Ausbau des Gleisnetzes tragen auch die Verfügbarkeit von Fahrzeiten, Zügen und Waggons, die für militärische Schwertransporte geeignet sind, zur militärischen Mobilität bei. In Friedenszeiten sichert sich die Bundeswehr den Zugriff auf die zivile Infrastruktur unter anderem mit gewöhnlichen Verträgen; so hat sie Vereinbarungen mit der Deutschen Bahn über die Nutzung von Gleisen und Fahrzeugen getroffen.
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