Haftung für Umweltschäden durch das US-Militär in Deutschland
Inhalt
Regelungen des NATO-Truppenstatuts
Gemäß dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (NTS) ist die Kostenübernahme von verursachten Umweltschäden geregelt. Darauf wurde von der Bundesregierung bereits wiederholt in Antworten auf Kleine Anfragen der Fraktion Die LINKE hingewiesen. So heißt es in Bundestags-Drucksache 18/4336 vom 18.3.2015 (zum Militärflughafen Spangdahlem) bezüglich dafür erforderlicher Vorkehrungen:
„Gemäß Artikel 54A des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut erkennen und anerkennen Staaten, die Truppen in die Bundesrepublik Deutschland entsenden, die Bedeutung des Umweltschutzes in der Bundesrepublik Deutschland und prüfen die Umweltverträglichkeit von Vorhaben mit dem Ziel, Umweltbelastungen zu vermeiden. “
In einer Antwort vom 9.4.2015 heißt es bezüglich Altlasten auf den Flugplatz Ansbach-Katterbach (Bundestags-Drucksache 18/4570):
„Nach den völkerrechtlichen Vereinbarungen gilt auf den überlassenen Liegenschaften das deutsche Recht, insbesondere das Umweltrecht. Die US-Streitkräfte tragen die Verantwortung für die von ihnen verursachten Umweltverschmutzungen und sind verpflichtet, diese auf eigene Kosten zu untersuchen und zu beseitigen.“
Explizit heißt es dann zur Übernahme von Kosten, dass im Regelfall 75% des Entschädigungsbetrages von dem US-Militär zu übernehmen ist:
„Artikel VIII Absatz 5 NTS in Verbindung mit dem hierzu ergangenen Ausführungsgesetz regelt, dass die Bundesrepublik Deutschland – vertreten durch die zuständige Schadensregulierungsstelle der Bundesanstalt – diese Schäden auf Antrag unmittelbar gegenüber dem geschädigten Dritten reguliert. Antragsteller in diesem Verfahren kann auch die Ordnungsbehörde eines Landes sein.
Die ausländischen Streitkräfte leisten anschließend die völkerrechtlich geschuldete Erstattung, im Regelfall 75 Prozent des Entschädigungsbetrages, an die Bundesrepublik Deutschland.
Die Einzelheiten der Abwicklung sind in einem gesonderten Verwaltungsabkommen zur Regelung des Verfahrens bei der Abgeltung von Schäden festgelegt.“
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage vom 2.9.2019 (DrS 19/12894) heißt es explizit:
„Sofern auf völkerrechtlich überlassenen Liegenschaften eine von den Gaststreitkräften verursachte PFC-Belastung bekannt wird, veranlassen diese in Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung regelmäßig die erforderlichen Untersuchungen, so dass die zuständigen Behörden eine Gefährdungsabschätzung vornehmen können.“
Beweislast und Haftung
Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zur Kostenübernahme (Drucksache 19/25893 vom 14.1.2021:
„Die Beweislast für die Verursachung von Umweltschäden richtet sich nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Sie liegt damit je nach Fallgestaltung bei den zuständigen Umweltbehörden bzw. dem Geschädigten/Antragsteller. Im behördlichen Verfahren hat die Umweltbehörde den Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast mit hinreichender Sicherheit zu ermitteln. Welche Maßnahmen oder Verfahrensweisen hierfür geeignet und erforderlich sind, entscheidet die Behörde in eigener Zuständigkeit.“
Aussagen der Bundesregierung zu Kostenerstattungen
Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zur Kostenübernahme (Drucksache 19/25893 vom 14.1.2021:
„Die Bestimmungen des Artikel 54A des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA NTS) enthalten keine Haftungsregelungen, sondern wie bereits in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage zutreffend zitiert, das Anerkenntnis der Bedeutung des Umweltschutzes sowie die Verpflichtung zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Vorhaben mit dem Ziel, Umweltbelastungen zu vermeiden.
Rechtsgrundlage für die Regulierung von Schäden, die die Streitkräfte eines Entsendestaats im Gebiet eines Aufnahmestaates außerhalb ihrer genutzten Liegenschaft verursachen, ist bei NATO-Vertragsstaaten Artikel VIII Absatz 5 NTS. Die Erstattungen der ausländischen Streitkräfte werden bei Kapitel 0802 Titel 286 01 (Einnahmen im Zusammenhang mit der Abgeltung von Schäden) vereinnahmt. Eine Einzelausweisung nach Schadensarten erfolgt nicht.“
Zum letzten Satz siehe die Tabelle weiter unten.
Eine weitere Frage der o.g. Kleinen Anfrage lautet:
„Welche Verwaltungsvorschriften, Verfahrensabläufe und Vereinbarungen zwischen der BImA und dem US-Militär gibt es zur Verjährung von Rechtsansprüchen bezüglich Umweltaltlasten?“
Die Antwort der Bundesregierung:
„Die BImA hat mit den amerikanischen Streitkräften keine gesonderten Vereinbarungen zur Regelung der Verjährung möglicher Rechtsansprüche aus Umweltschäden getroffen. Im Übrigen gelten die jeweiligen allgemeinen völkerrechtlichen sowie die spezialgesetzlichen deutschen Fristen- und Verjährungsregelungen.“
Tatsächliche Kostenerstattungen für Umweltschäden
Bundeshaushalt Kapitel 0802: Lasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt bzw. Abzug von ausländischen Streitkräften | ||||
Bundeshaushalt Abrechnungsjahr | Einnahmen | Ausgaben | Ausgaben Gerichts- Kosten | bereitgestellte Gerichtskosten (Sollbeträge) |
2016 | 6.836.530,66 | 10.017.654,37 | 0 | 0 |
2017 | 7.054.438,43 | 9.359.318,20 | 0 | 0 |
2018 | 4.798.111,96 | 8.506.472,13 | 79.567,43 | 200.000 |
2019 | 4.633.683,57 | 9.349.852,41 | 35.870,61 | 200.000 |
2020 | 4.556.202,10 | 13.439.557,16 | 28.564,74 | 150.000 |
Summe | 27.878.967 € | 50.672.854 € | 144.003 € | |
Anteil Einnahmen von Ausgaben |
55 % | |||
2021 (Plan) |
0 | 7.500.000 | 50.000 | |
von Titel und Funktion | 286 01-033 | 698 02-033 | 526 01-033 |
Text zur Zweckbestimmung in der Haushaltsrechnung:
286 01-033 Einnahmen im Zusammenhang mit der Abgeltung von Schäden
698 02-033 Abgeltung von Schäden und andere Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte. Definition: „Im wesentlichen handelt es sich um Personen- und Sachschäden, vor allem aus Verkehrsunfällen, Manöverschäden und Schäden an von den Streitkräften genutzten Liegenschaften (Belegungs- und Vertragsschäden).“
526 01-033 Gerichts- und ähnliche Kosten
Quelle: Haushaltsrechnungen des Bundestages (abrufbar über www.bundeshaushalt.de)
Die entsprechenden Seitenauszüge sind –> hier als PDF abrufbar.
Erläuterungen zu Kostenerstattungen
1. Dass „ im Regelfall 75 Prozent des Entschädigungsbetrages“ vom US-Militär zurück geholt werden, ist schwer nachvollziehbar wegen der fehlenden Aufschlüsselung. Bei der exemplarischen Zusammenstellung über die Haushaltsjahre 2016 bis 2020 liegt der Betrag lediglich bei 55% gemittelt über die letzten 5 Abrechnungsjahre.
2. Aus den ursprünglich im Haushalt bereitgestellten Beträgen für „Gerichts- und ähnliche Kosten“ kann folgendes abgeleitet werden: Hier wird offenbar eine Pauschale von jeweils 50.000 Eur pro anhängiges Verfahren zugrunde gelegt. Offensichtlich ergab es aber bei der Mehrzahl der bisher anhängigen Gerichtsverfahren einen günstigen Ausgang für die BImA als Vertreterin der Bundesregierung. Ob sich die hier aufgeführten Gerichtsverfahren auch oder überwiegend auf Ansprüche aus Umweltschäden beziehen, ist jedoch nicht ersichtlich.
3. Bemerkenswert ist, dass für das Haushaltsjahr 2021 zwar 7,5 Mio. Kosten für die Begleichung von Schäden eingeplant sind, jedoch keine Einnahmen aus Rückerstattungen.
Beispiele
Verbandsgemeinde Wittlich-Land
Im Streit um die PFAS-Altlasten, die von der US Air Base Spangdahlem verursacht wurden, und zu einer sehr kostenäufwändigen Entsorgung von Klärschlamm führten, wurden von der BImA an die Verbandsgemeinde Wittlich-Land Schadensersatzforderungen in Höhe von 460.000 Euro über mehrere Jahre hinweg bis 2017 wegen zu stark mit PFAS belasteten Klärschlamm beglichen.2018 wurden schließlich weiterhin bestehende Forderungen von der BImA abgelehnt. Die Verbandsgemeinde Wittlich-Land reichte deshalb Klage beim Landgericht Trier ein.
Diese wurde Anfang Oktober 2021 abgewiesen, da laut Aussage des vom Gericht bestellten Sachverständigen nicht quantifizierbar gewesen sei, welchen Anteil an der Schadstoffbelastung von einem einmaligen Schadensfall außerhalb der Air Base ausgegangen sei. Zivile Feuerwehrleute hatten anlässlich eines Polterabends einen dekorativen Schaumteppich ausgelegt, der selbige Schadstoffe enthielt. Aufgrund dessen fordert die BImA den bisher geleisteten Schadensersatz zurück, was jedoch wegen Verjährung juristisch wahrscheinlich nicht tragfähig ist.
Von der Verbandsgemeinde wurde Revision gegen das Urteil beim OLG Koblenz eingereicht.
Ansbach-Katterbach
Sehr problematisch ist, dass das NATO-Truppenstatut eine Strafverfolgung der Verursacher vor deutschen Gerichten praktisch unmöglich macht. So wurde im April 2020 ein Ermittlungsverfahren zur Strafanzeige wegen PFAS-Belastungen durch den US-Standort Ansbach-Katterbach eingestellt.
Jüngstes Beispiel: Der Besitzer eines Mehrfamilienhauses wegen der nicht mehr möglichen Direktnutzung von Grundwasser durch einen eigenen Brunnen geklagt, nachdem Anfang 2018 von der US-Umweltabteilung am Militärstandort selbst auf die PFAS-Belastung hingewiesen wurde. Die Klage wurde Anfang August 2021 abgewiesen. Dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht gegeben sei, wird neben Hinweisen auf zu wahrende Fristen nach dem NATO-Truppenstatut wie folgt in bestem Juristendeutsch begründet:
„Für die Folgen einer Verunreinigung des Grundwassers unter dem klägerischen Grundstücks folgt dies schon daraus, dass aus belastetem Grundwasser unter einem Grundstück allein keine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche hergeleitet werden können, da das Grundwasser einer vom Grundeigentum losgelösten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterworfen ist.“
Bewertung
Inanspruchnahme der Verursacher für Kosten
Über den Bundeshaushalt wurden über den Zeitraum von 2016 bis 2020 jährlich im Durchschnitt ca. 10 Mio. Euro für Schäden durch das US-Militär abgerechnet. Von diesen Beträgen wurden jedoch über den Gesamtzeitraum nur 55% von dem US-Militär zurück gefordert, d.h. es wurde im großen Maße auf Ansprüche gemäß dem NATO Truppenstatut verzichtet.
Zu berücksichtigen ist dabei:
Kosten für aufwändige Studien zu Grundwasserbelastungen durch PFAS werden weitestgehend vom US-Militär selbst durchgeführt, nach entsprechender Mittelfreigabe und Ausschreibung gemäß den Vorgaben des US-Bundeshaushalts.
Versteckte Kosten sind allerdings die Voruntersuchungen, die bei Baumaßnahmen auf US-Militärbasen von den zuständigen deutschen Baubehörden veranlasst werden (z.B. Landesbetrieb Bau in Rheinland-Pfalz). Diese Kosten fließen in die Baunebenkosten ein, die vom deutschen Steuerzahler übernommen werden.
Die aufgeführten Kosten im Bundeshaushalt betreffen deshalb im wesentlichen Sanierungen im Umfeld von US-Militärbasen.
Politisches Problembewusstsein und behördliche Aktivitäten
Hinsichtlich der vorhandenen Umweltbelastungen vor allem durch PFAS wurden jedoch notwendige Sanierungen bisher nur schleppend angestoßen.
Hinzu kommen gerichtliche Ablehnungen von Entschädigungsansprüchen, wie dieses 2021 bei Klagen zu Ansbach-Katterbach (Brunnenschließung) und zu Spangdahlem (Klärschlamm der VG Wittlich-Land) erfolgte.
Dem muss gegenüber gestellt werden, dass für die PFAS-Belastungen durch die 2019 verfasste Studie „The costs of inaction“ des Nordic Council of Ministers ein jährlicher Milliardenbetrag für Sanierungen notwendig wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die Verschleppung von Sanierungsmaßnahmen – gemäß der genannten Studie – drastisch höhere Kosten und Gesundheitsbelastungen zu erwarten sind.
(Stand: 24.11.2021 / KP)
siehe dazu auch: Objektdatenblätter PFAS