Klimawandel, konventionelle Waffen und Konflikte CEOBS
Die Beziehung zwischen Klimawandel und konventionellen Waffen wurde bisher nur begrenzt erforscht. Bislang konzentrierte man sich entweder auf die Auswirkungen des Klimawandels auf Konflikte – ohne die Dimension der Waffen und der Munition einzubeziehen – oder auf die Umweltauswirkungen konventioneller Waffen, die die Auswirkungen des Klimawandels nicht einschließen. Der nachfolgende, auf deutsch übersetzte Beitrag erschien als Gastkommentar bei CEOBS.
Sarah Grand-Clément ist Forscherin am UN-Institut für Abrüstungsforschung (UNIDIR); Andrew Kruczkiewicz ist leitender Forscher am Internationalen Forschungsinstitut für Klima und Gesellschaft der Columbia University; Manuel Martinez Miralles ist Verbindungsbeamter am UNIDIR; und Alfredo Malaret Baldo ist Forscher am UNIDIR.
Die englische Originalfassung erschien am 2.12.2021 unter dem Titel: „We need to explore how climate change is influencing the trade, use and legacy of conventional arms – and how arms flows will exacerbate climate insecurity.“
Quelle: https://ceobs.org/a-darker-shade-of-code-red-arms-and-climate-change/
Deutsche Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: www.deepl.com / KP (31.12.2021)
Inhalt
Klimawandel, konventionelle Waffen und Konflikte
Die Weltgemeinschaft kam kürzlich in Glasgow zusammen, um auf der COP26 über die Bedrohung durch den Klimawandel zu diskutieren. Während die Begrenzung der Erwärmung auf weniger als 1,5 °C als notwendig bestätigt wurde, ist der Mangel an strukturierten Ansätzen zur Bereitstellung von Finanzmitteln für die am stärksten gefährdeten Regionen und Bevölkerungsgruppen enttäuschend. Dieses Versäumnis wird dazu führen, dass diese weiterhin klimatischen Extremen und einer Verschlechterung der Umwelt ausgesetzt sein werden.
Der Zustand der Umwelt hat Auswirkungen auf die lokale, nationale, regionale und internationale Sicherheit. Zwar sind mittlerweile einige Zusammenhänge zwischen Klima und Konflikten verständlich, jedoch sind die direkten Beziehungen zwischen konventioneller Rüstungskontrolle zu Klimawandel, Klimaschocks und Wetterkatastrophen noch näher zu untersuchen.
Untersuchungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz haben gezeigt, dass 12 der 20 Länder, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, auch von bewaffneten Konflikten betroffen sind. Zwar liegen uns einige Daten über genehmigte Waffenlieferungen in diese Länder vor, doch fehlen uns Informationen über illegale Lieferungen und unkontrollierte Produktion. Darüber hinaus gibt es nach wie vor erhebliche Lücken im Verständnis, wie sich genehmigte und illegale Waffenströme auf durch den Klimawandel verschärfte Konflikte auswirken und ob solche Daten als Frühwarnung für künftige Konfliktgebiete dienen könnten.
Dies führt uns zu zwei Schlüsselfragen:
- Wie könnte sich der Klimawandel in Zukunft auf die Nachfrage, das Angebot und den Einsatz konventioneller Waffen auswirken, wenn seine Auswirkungen zunehmen werden?
- Verfügt die Staatengemeinschaft im Bereich der konventionellen Waffen über die notwendigen Instrumente, um den Klimawandel, einschließlich des Risikos künftiger Klimafolgen und Umweltzerstörung, in ihren Vorsorgemechanismen zu berücksichtigen?
Klimaschocks und Konflikte
Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung: Der jüngste Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) verdeutlicht die weitreichenden Auswirkungen, die wir erwarten können, darunter eine wahrscheinliche Zunahme von Konflikten, die sich mit anderen Klimagefahren und nicht klimabedingten Krisen verbinden. Diese werden heftige Auswirkungen haben, wobei Frauen größeren Risiken ausgesetzt sind als Männer.
Um die Dringlichkeit der Situation zu verdeutlichen, hat der UN-Generalsekretär diesen Bericht als „Alarmstufe Rot für die Menschheit“ bezeichnet. Der „Code Red“ scheint gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass der Klimawandel und die Klimaschocks (vor allem durch das gehäufte Auftreten von Wetterextremen) bereits zu Instabilität und Konflikten auf verschiedenen Ebenen beitragen, und dass Untätigkeit in Bezug auf die Klimaschutzziele die Situation in den kommenden Jahren noch verschlimmern wird.
Klimaschocks haben das Potenzial, die Dynamik von Konflikten zu beeinflussen und können sich auch auf friedensschaffende Prozesse und die Verteilung humanitärer Hilfe auswirken. Der Klimawandel könnte zu einem bedeutenden „Bedrohungsmultiplikator“ auf dem gesamten afrikanischen Kontinent werden, insbesondere aufgrund der Auswirkungen von Dürre und schwindenden Wasserressourcen. Schon jetzt sehen wir, dass die Folgen des Klimawandels, der eingeschränkte Zugang zu Land und die Zunahme von gewalttätigem Extremismus zu Konflikten zwischen traditionellen Nomadenvölkern in Westafrika führen. Anfang 2021 forderten mehrere Ratsmitglieder während einer offenen Debatte des UN- Sicherheitsrats über Klima und Sicherheit die Einbeziehung des Klimawandels in friedenserhaltende Maßnahmen.
Konventionelle Waffen und der Zustand der Umwelt
Die Auswirkungen von Klimaereignissen wie Hitzewellen auf explosive Kampfmittelrückstände, Munition und Landminen sind nur begrenzt erforscht. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass Überschwemmungen und Erdrutsche im Zusammenhang mit immer häufigeren extremen Regenfällen Landminen verlagern und reaktivieren können, was in Räumungsarbeiten einzubeziehen ist.
Die Entsorgung konventioneller Waffen kann ebenfalls eine Quelle der Umweltverschmutzung sein. So wurde beispielsweise jahrzehntelang konventionelle und chemische Munition im Meer versenkt. Die Umweltauswirkungen dieser Entsorgungsmethode, die durch das Londoner Übereinkommen von 1972 verboten wurde, bestehen fort und werden sich nun auch auf die maritime Wirtschaft auswirken. Darüber hinaus werden in den Leitlinien für die Entsorgung von Waffen und Munition wie dem Modularen Kompendium zur Kontrolle von Kleinwaffen (MOSAIC) und den Internationalen Technischen Richtlinien für Munition auch die Umweltfaktoren im Entsorgungsprozess berücksichtigt. Es ist jedoch schwer zu sagen, inwieweit diese Leitlinien in der Praxis angewandt werden.
Der Prozess hin zu einer politischen Erklärung über den Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten hat dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit auf die Umweltkosten dieser Waffen zu lenken. Diese reichen von den direkten Umweltschäden durch die Explosion über die Entstehung von Millionen Tonnen Schutt, die Verschmutzung durch gefährliche Chemikalien, die Beschädigung der sanitären Infrastruktur und die Ausbreitung von durch Krankheitserreger übertragbaren Krankheiten bis hin zu den Emissionskosten für die Räumung und den Wiederaufbau von Städten.
Der Prozess hat auch dazu beigetragen, dass das UN-Umweltprogramm in die Debatte über die Kontrolle konventioneller Waffen einbezogen wurde. Die Förderung der systematischen Einbeziehung von Umweltexpertise in Abrüstungsprozesse ist der Schlüssel dazu, dass die Umweltdimensionen dieser Themen nicht unterschätzt werden, und hilft der Gemeinschaft, die „wahren“ Kosten bewaffneter Konflikte zu beleuchten.
Neue Wege in der Forschung: konventionelle Waffen und Klimawandel
Insgesamt ist die Beziehung zwischen der Kontrolle konventioneller Waffen und dem Klimawandel noch wenig erforscht. Und das, obwohl die unkontrollierte Verbreitung und der Missbrauch von konventionellen Waffen in Gebieten, die von den negativen Folgen der globalen Erwärmung und anderer Klimakatastrophen stark betroffen sein dürften, ein erhebliches Risiko darstellen.
Wir sind der Meinung, dass insbesondere die folgenden Themen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und konventionellen Waffen eine weitere Untersuchung verdienen:
Welche neuen Konflikte oder ressourcenbedingten Streitigkeiten könnten zu einem verstärkten Erwerb von Waffen führen?
Ressourcenkonflikte können zu neuen Konflikten führen. Dabei geht es nicht nur um das obige Beispiel des Konflikts zwischen Nomadenvölkern in Westafrika, sondern auch um Ressourcenkonfllikte zwischen nördlichen Ländern, wie er verstärkt in der Arktis stattfindet. Es sind Forschungsarbeiten erforderlich, um die Waffenströme in Gebiete zu verstehen, die „Hotspots“ für klimabedingte Konflikte sind oder sein könnten. Dies kann dazu beitragen, dass Frühwarn- und Konfliktpräventionsansätze an bevorstehende Klimaschocks angepasst werden.
Die Erforschung dieser Zusammenhänge kann uns auch dabei helfen zu verstehen, ob der „Werkzeugkasten“ der Rüstungskontrolle – der von internationalen Verträgen und Instrumenten über freiwillige Normen und Standards bis hin zu technischer Hilfe für verschiedene Waffensysteme reicht – gut geeignet ist, um gegen die künftige Verbreitung und den Missbrauch von Waffen vorzugehen, oder ob er aktualisiert werden muss, um Fragen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu berücksichtigen.
Inwieweit könnte der Klimawandel einen Rüstungswettlauf anheizen, und wie könnte sich die Dynamik je nach Ort dieser Spannungen unterscheiden?
Die Kontrolle und Regulierung des Flusses von Waffen und Munition könnte eine Rolle bei der Verhinderung und Bewältigung von Konflikten spielen, die durch klimatische Belastungen verschärft werden, aber dies muss noch weiter untersucht werden. In einem ersten Schritt wäre zu prüfen, ob ein Zusammenhang zwischen klimatischen Extremen, Waffenströmen und Konflikten sowie bewaffneter Gewalt besteht. Wenn ein positiver Zusammenhang besteht, könnte dies zur Entwicklung von Frühwarnsystemen genutzt werden, um festzustellen, wann eine durch den Klimawandel verschärfte Situation in bewaffnete Gewalt umschlagen könnte.
Was sind die menschlichen Auswirkungen klimabedingter bewaffneter Konflikte?
Neben dem Angebot und der Nachfrage nach Waffen müssen auch die menschlichen Auswirkungen von bewaffneten Konflikten und bewaffneter Gewalt, die durch Klimaschocks und Wetterkatastrophen verschärft werden, verstanden werden. Zum Beispiel die unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Auswirkungen, da wenig darüber bekannt ist, wie sich die kombinierten Auswirkungen von bewaffneten Konflikten und einem sich verändernden Klima auf Frauen, Männer, Mädchen, Jungen und nicht-binäre Personen unterschiedlich auswirken. Die Forschung in diesem Bereich kann wiederum in die Konfliktprävention, die UN-Friedenseinsätze, die ökologische Friedenskonsolidierung und die Strategien zum Schutz der Zivilbevölkerung einfließen.
Fazit: Von der Forschung zum Handeln
Die Staatengemeinschaft der konventionellen Waffen- und Munitionsproduzenten arbeitet daran, Lösungen gegen den Missbrauch und die Verbreitung von Waffen zu finden und umzusetzen. Aber der Klimawandel und seine Auswirkungen machen die Sache noch komplexer. Wir müssen weiter in die Zukunft blicken und verstehen, welche Probleme sich infolge der Klimagefahren ergeben könnten. Die Klimakrise und die Umweltzerstörung erhöhen das Risiko von bewaffneten Konflikten und Gewalt. Es ist notwendig, sich mit konventionellen Waffen und Munition im Kontext globaler Sicherheit und Klimaschutz zu befassen.