US-Sicherheitsstrategie und Klimakrise TP
Wie Feindseligkeit zwischen den USA und China Klimaschutz blockiert
Die Klimakrise ist ein globales Sicherheitsrisiko. Doch USA und China schüren Konflikte, blockieren Klima-Kooperation, während viel Geld ins schmutzige Militär statt in Entwicklungsprojekte fließt. Was muss getan werden?
von Anatol Lieven, Senior Research Fellow für Russland und Europa am Quincy Institute for Responsible Statecraft (11.11.2022)
Auszüge:
Auf der 27. Konferenz der Vereinten Nationen über den Klimawandel (COP27) in Ägypten haben sich die Delegierten mit zwei Tatsachen abgefunden:
Das Ziel, den globalen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, ist so gut wie sicher verloren; denn um das zu verhindern, müssten die Emissionen bis 2030 um 45 Prozent gesenkt werden – eine kaum realisierbare Aussicht.
Die zweite Erkenntnis ist, dass unabhängig davon, was wir jetzt tun, einige sehr unangenehme Folgen des Klimawandels nicht nur unvermeidlich sind, sondern bereits eintreten. Das hat dazu geführt, dass auf der COP27 ein neuer Schwerpunkt auf die Notwendigkeit gelegt wurde, die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels in besonders gefährdeten Regionen zu stärken. […]
US-Sicherheitsstrategie vernachlässigt Klimakrise als destabilisierenden Faktor
Die Biden-Administration und einige Kommentatoren in den USA hoffen, dass sich zwischen den Vereinigten Staaten und China eine Art wohlwollender Wettbewerb um Klimaschutzmaßnahmen entwickeln kann, bei dem jeder versucht, den anderen sowohl mit Maßnahmen als auch durch die Weise, bei anderen Ländern um Bewunderung und Unterstützung zu werben, zu übertreffen.
Dieser Wettbewerb besteht aus zwei Teilen. Der erste ist der Umfang der CO2-Reduktionen. In diesem Bereich sind beide Supermächte stark in ihrem Handeln eingeschränkt: die Vereinigten Staaten durch innenpolitische Spaltungen und China durch seine anhaltende Abhängigkeit von der Kohle. Der andere wichtige und wachsende Bereich, in dem Amerika und China miteinander konkurrieren, ist die Hilfe für arme und gefährdete Länder, um die Widerstandsfähigkeit gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu stärken.
Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel sind jedoch offensichtlich durch die enormen Summen, die im Rahmen des sich verschärfenden Kalten Kriegs zwischen den USA und China ins Militär fließen, deutlich limitiert. Im Falle der Vereinigten Staaten verschlingt der Militärhaushalt fast das Zwanzigfache der für internationale Unterstützung aufgewendeten Summen. Wenn man weitere indirekte Kosten wie die Unterstützung von Veteranen einbezieht, ist der Unterschied noch gravierender.
[…] Angesichts der Ängste der Republikaner vor illegaler Migration und der zunehmenden Erkenntnis der Demokraten, dass dieses Thema ihnen bei den Wahlen schadet, sollte es möglich sein, einen gut finanzierten, überparteilichen Entwicklungsplan für diese Region auszuarbeiten.
Denn derzeit ist der Kontrast zwischen den Summen, die Washington für die Ukraine und den Nahen Osten bereitstellt, und denjenigen, die für Amerikas eigene Nachbarn bereitgestellt werden, geradezu grotesk. Ganz Mittelamerika erhält weniger Hilfe als der Irak oder Jordanien für sich genommen. Die Militärhilfe für die Ukraine übersteigt die gesamte Entwicklungs- und humanitäre Hilfe der USA für ganz Lateinamerika und Afrika zusammengenommen.
Ein zentraler Grund für diese Vernachlässigung ist, dass die Vereinigten Staaten keinen Großmachtkonkurrenten in ihrem eigenen Hinterhof haben und Zentralamerika daher nicht die Art von „klassischen“ Sicherheitsbedrohungen darstellt, auf die das US-Establishment ausgelegt ist und auf die sich Bidens Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) konzentriert.
Das verweist auf ein grundlegendes Problem nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern für die meisten großen Staaten der Welt, China und Indien ausdrücklich eingeschlossen: das Problem der Eliten und Institutionen. Sie sollen eine Reihe von Herausforderungen bewältigen, und taten das mit Erfolg. Aber sie sind weder kulturell noch fachlich darauf vorbereitet, mit einer sich radikal verändernden Welt umzugehen. […]