Ukrainekrieg verschlimmert Klimakatastrophe IMI
Umweltschäden und Emissionen durch den Ukrainekrieg
von Margot Melis (15.12.2022)
Quelle: https://www.imi-online.de/2022/12/15/ukrainekrieg-verschlimmert-klimakatastrophe/
Auszüge:
… Es ist schwierig, in Kriegssituationen Daten zu erheben und Aussagen wie die des ukrainischen Umweltministeriums zu überprüfen. Daher sind die Angaben in diesem Artikel mit Vorsicht zu betrachten. Dennoch bleibt eine Tatsache klar erwiesen: Der Krieg verschärft die Klimakrise und lässt die dringend erforderliche drastische Reduzierung von Treibhausgasemissionen in noch weitere Ferne rücken. …
Der direkte Schaden für das Klima als Folge der russischen Aggression beläuft sich auf mindestens 33 Millionen Tonnen CO2-Emissionen in die Atmosphäre“.5 Der Großteil dieser Emissionen entsteht durch Waldbrände (23 Mio. Tonnen CO2), die durch Kampfhandlungen ausgelöst werden.6 Schätzungen des ukrainischen zivilgesellschaftlichen Center for Environmental Initiatives Ecoaction teilt diese Einschätzung: „Unabhängige Forscher schätzen, dass bereits mindestens 34 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen durch Kämpfe, Waldbrände und den Transport von Vertriebenen verursacht wurden“, und fügt hinzu: „Weitere 14 Millionen sind Emissionen durch Lecks in Nord Stream 1 und 2. Und man darf nicht vergessen, dass nach dem Krieg ganze Städte wieder aufgebaut werden müssen, was zu weiteren 50 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen führen könnte.“7 Demzufolge setzten die Kriegshandlungen in der Ukraine und ihre Auswirkungen seit Februar 2022 mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 frei, also das Äquivalent der Emissionen, die ein Staat wie die Niederlande im gleichen Zeitraum verursacht, so Ecoaction.
Die Schätzungen des deutschen Umweltbundesamts bezüglich des durch die Lecks entwichenen Methans liegen bei 300.000 Tonnen – äquivalent zu 7,5 Mio. Tonnen CO2, da Methan weitaus klimaschädlicher ist als CO2. Mads Flarup von Greenpeace Nordic geht von 30 Mio. Tonnen CO2 an ausgetretenem Gas aus: „Nach unseren Berechnungen kann das Gasleck acht Monate der CO2-Emissionen von Dänemark entsprechen“. Seit Ende September 2022 ist die Informationslage zu den Lecks äußerst dünn – abgesehen davon, dass unbekannt ist, wer die Lecks verursacht hat, bleibt sogar unklar, ob weiterhin Methan austritt.
Doch neben den emissionslastigen Militäraktivitäten des russischen und ukrainischen Militärs in der Ukraine nehmen auch die Militäraktivitäten anderer Streitkräfte durch den Ukrainekrieg zu. So sind seit Mai 2022 laut der NATO ständig rund 30 Militärflugzeuge in Osteuropa im Einsatz, um, so der Stabschef des Hauptquartiers des Alliierten Luftkommandos, Generalmajor Jörg Lebert, „die NATO gegen jegliche Aggression zu schützen“. Zu ihnen zählen Kampfflugzeuge, Luftbetankungs- und Transportflugzeuge sowie das fliegende Radarsystem AWACS.10 Allein der Treibstoffverbrauch des AWACS ist erheblich: Zehn Stunden kann der von der NATO genutzte Typ E-3A mit einer Betankung von rund 90.000 Litern Treibstoff in der Luft bleiben.
Umweltzerstörung
Laut dem ukrainischen Ministerium für Umweltschutz und natürliche Ressourcen wurden während des Krieges etwa 30% der Naturschutzgebiete mit einer Größe von 3 Millionen Hektar durch Bomben, Brände und Verschmutzung beschädigt. In den ersten vier Kriegsmonaten wüteten 37.000 Brände auf einer Gesamtfläche von etwa 250.000 Hektar Land – ein Drittel des verbrannten Landes liegt laut der NGO Ukraine Nature Conservation Group in Naturschutzgebieten.
Zudem hat das ukrainische Parlament im März 2022 – kurz nach Beginn des Krieges – die Naturschutzvorschriften gelockert. So ist seither z.B. die Rodung von Wäldern auch in der Brutzeit erlaubt. Bereits vor dem Krieg stellte illegale Raubrodung ein von staatlichen Stellen größtenteils toleriertes Problem in der Ukraine dar, besonders in den Karpaten.
Laut der britischen Umweltorganisation Earthsight seien die – von Korruption geprägten – Holzeinfuhren in die EU aus der Ukraine im Jahr 2022 vergleichbar mit denen des Vorjahres. Doch Yehor Hrynyk, Aktivist der Ukrainian Nature Conservation Group, geht davon aus, dass die Abholzung mit dem Krieg zunehmen könnte, da die Regierung im Holzhandel eine wichtige Quelle der Exporteinnahmen sieht und Geschäftsleute versuchen würden, während des Krieges Profit zu machen.
Es ist davon auszugehen, dass der Krieg darüber hinaus noch viele weitere Umweltstandards in Frage stellt bzw. deren Überwachung verunmöglicht und damit in mehrfacher Hinsicht „schmutzige“ Geschäfte begünstigt. Zudem rückt durch den Krieg die essentielle Wichtigkeit des Klimaschutzes in den Hintergrund, der auch ein Lossagen von fossilen Energieträgern und eine Wirtschaftsform erfordert, die die Umwelt schützt und nicht ausbeutet und zerstört.
Das zeigt sich auch in der großen Politik: Führende Politiker*innen weltweit schieben ihr Versagen bei der Umsetzung der Klimaziele auf den Krieg in der Ukraine – und damit auf Russland. So erklärt z.B. Bundeskanzler Scholz, dass wegen des Krieges im Interesse der Energiesicherheit neue Flüssiggas-Terminals errichtet werden müssen und Kohlekraftwerke wieder ans Netz geschlossen werden.