Rüstung und begrenzte Ressourcen IMI,KP
von Karl-Heinz Peil
Der Beitrag erschien zuerst in: AUSDRUCK – Quartalszeitschrift von IMI – Ausgabe Dez. 2022
Online unter: https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dez2022-KHP-Klima.pdf
Inhalt
Einleitung
Die Umweltauswirkungen der militärischen Aufrüstung werden meistens auf den CO2-Ausstoß reduziert. Natürlich sind die CO2-Emissionen von militärischem Großgerät im Einsatz sind enorm durch den spezifischen Treibstoffverbrauch speziell von Kampfjets und Kampfpanzern. Allerdings sind die Emissionen durch Kerosinverbrauch pro Flugstunde oder Dieselkraftstoff pro 100 km bei einem Kampfpanzer nur bedingt geeignet für die daraus sich ergebenden Umweltbelastungen, da dieses natürlich von den realen Betriebsstunden im Übungs- oder Kriegseinsatz abhängt.
Während bei militärischen Landfahrzeugen der Einsatz meistens nur auf Truppenübungsplätze reduziert ist und damit auch der gesamte Treibstoffverbrauch begrenzt wird, ergibt sich für Kampfjets eine große Betriebsstundenzahl, die sich auch aus Anforderungen an das Training der Kampfpiloten ergibt. Durch Flugsimulatoren kann dieses nur sehr begrenzt reduziert werden. Kalkuliert werden kann mit 8000 Betriebsstunden pro Kampfjet, die sich evtl. über 40 Jahre der Nutzungsdauer verteilen, d.h. mit 200 Stunden pro Jahr.
Wesentlich problematischer, aber stark unterbelichtet ist der Verbrauch physischer Ressourcen, was aber auch Rückwirkungen auf die proklamierten Klimaschutzziele hat.
Physischer Ressourcenverbrauch
Die Rüstungsindustrie ist heute in besonderem Maße von einer gesicherten und langfristig verfügbaren Versorgung mit mineralischen und Metallrohstoffen abhängig. Insbesondere betrifft dieses die Luft- und Raumfahrtindustrie sowie die militärische Elektronik.
Um eine Vorstellung davon zu geben, welche Ressourcen bei Rüstungsgütern beansprucht werden, soll das Beispiel des US-Kampfjets F-35 heran gezogen werden. Dieser besteht aus 300.000 Einzelteilen und wird von 1.900 Zulieferern rund um den Globus zusammengebaut. Allein für das Seitenleitwerk des Flugzeugs werden 30 separate Titanteile beigestellt. In Großbritannien besteht bereits ein Instandhaltungszentrum für den F-35 mit einer Lieferkette von bis zu 500 Unternehmen für den Bau von etwa 15 % der für die Produktion geplanten 3.000 Kampfjets. Zum Vergleich: Ein heutiger, typischer Pkw beansprucht ca. 10.000 Einzelteile.
Trotz einiger Schlüsselzahlen zur Ressourcennutzung bleiben die Angaben zum Ressourceneinsatz in der Rüstungsindustrie lückenhaft und nur für ältere Projekte zugänglich. Für den NATO-Kampfjet Tornado kann man bei Wikipedia nachlesen: „Bei den für die Zelle verwendeten Materialien handelt es sich um Leichtmetalle (71%), Titan (18%, hauptsächlich für den Flügelmittelkasten), Stahl (6%) und andere Werkstoffe (5%)“.
Daten zum Ressourceneinsatz sind nur recht lückenhaft vorhanden, was vor allem der militärischen Geheimhaltung geschuldet ist. Dazu zwei Beispiele: Bei Panzerfahrzeugen kommen spezielle Metalllegierungen zum Einsatz, mit denen anfliegende Geschosse (möglichst von allen Seiten) keine relevante Beschädigung hervorrufen sollen. Bei Kampfjets der neuesten Generation ist eine teilweise oder komplett vorhandene Tarnkappenfunktion gegenüber feindlichem Radar ein Hauptkriterium. Dieses erfordert nicht nur spezielle konstruktive Maßnahmen, sondern ähnlich wie bei Panzerfahrzeugen bestimmte Materialzusammensetzungen.
Konzernberichtswesen: Nur teilweise informativ
Was unter Ressourceneinsatz in der gesamten Bandbreite zu verstehen ist, kann man ansatzweise aus dem Konzernberichtswesen entnehmen, das auch bei Rüstungsunternehmen teilweise in Nachhaltigkeitsberichten erkennbar ist.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat vor allem mit Blick auf mittelständige Firmen „Empfehlungen für eine gute Unternehmenspraxis“ herausgegeben. Danach sollte der Bericht mindestens Kennzahlen enthalten zu Energieverbrauch und Klimaschutz, Abfallaufkommen, Wasserverbrauch und Verbrauch von Rohstoffen. Weitgehend berücksichtigt werden die UBA-Vorgaben beim Wassermanagement. Recht ausführlich findet sich dieses bei MTU Aero Engines in den Nachhaltigkeitsberichten 2017 und 2021, aber auch bei Rheinmetall.
Von Rheinmetall erschien zuletzt 2017 ein eigener Nachhaltigkeitsbericht unter dem Titel „Werte, Wandel, Wachstum“. Aufgeführt werden dann Beispiele für Energieeffizienzprojekte, bei denen signifikante Einsparungen von Heizöl, Wasser und Strom erfolgten. Neuere Nachhaltigkeitsdarstellungen von Rheinmetall sind in den jährlichen ESG-Berichten (Environmental, Social, Governance) enthalten. Von dem Konzern KNDS, in dem u.a. Kraus-Maffei Wegmann integriert ist, gibt es keine Konzernberichte auf der Homepage. Bei Airbus, dem über die Konzerntocher „Airbus Defence and Space“ wichtigsten Rüstungskonzern in Deutschland und der EU, findet man zwar viele Ausführungen unter den Überschriften „Sustainability“ und „Environment“, jedoch beschränken sich diese auf Absichtserklärungen zur angestrebten Klimaneutralität. Technologische Lösungen, die von Airbus Defence and Space im „Carbon Reduction Plan“ dargestellt werden, verweisen auf Anstrengungen zur verbesserten Energieeffizienz in der industriellen Produktion.
Das Problem des Mutterkonzerns zu den THG-Emissionen des Flugverkehrs wird als Absichtsbekundung zu einem völlig unrealistischen Wechsel auf eFuels aus „grünem“ Wasserstoff dargestellt. Branchenspezifische Themen wie die Auswirkungen von Emissionen in großen Höhen und im Weltraum werden kaum behandelt. Ebenso werden Umweltprobleme im Zusammenhang mit den Rohstoffen in den Lieferketten nicht erwähnt.
Ein internationaler Vergleich (CEOBS 2021) ergab, dass zumindest bei der Aufstellung von Energieverbräuchen und daran gekoppelten THG-Emissionen, sowie bei Wasser- und Abfallmanagement insgesamt relativ gute Ansätze erkennbar sind, soweit die Behandlung dieser Ressourcen mit absoluten Zahlen erfolgt. Der bloße Verweis auf prozentuale Einsparungen bei Produktionsprozessen hat hingegen wenig Aussagekraft. Generell erschwert das Fehlen eines einheitlichen Berichtsrahmens für Energie, Wasser und Abfall den Vergleich zwischen Rüstungsunternehmen.
Sektorale Konkurrenz um knappe Ressourcen
Rohstoffe und Energie im post-fossilen Zeitalter: Mit der geplanten Ablösung fossiler Roh- und Brennstoffe entstehen neue Abhängigkeiten durch hauptsächlich metallische Rohstoffe, die zunächst aufwändig extrahiert und aufbereitet werden müssen. Damit ergeben sich auch neue fragile und konfliktträchtige Lieferketten. Grafik: eigene Darstellung |
Das post-fossile Zeitalter bedeutet, dass vor allem metallische Rohstoffe bezüglich Extraktion, Zugriff und Transportwegen eine ähnliche Rolle zukommt wie es bisher für Öl und Erdgas der Fall war.
Die Grundproblematik besteht hierbei darin, dass eine globale Abdeckung des künftigen Energiebedarfs ohne fossile Brennstoffe nur mit einer drastischen Reduzierung des Ressourcenverbrauchs möglich ist. Eine ökologische Energieerzeugung, die vor allem mit Windkraftanlagen, Photovoltaik und batteriegestützten Speichersystemen erfolgt, ist nur mit neuen, komplexen Technologien möglich. Diese erfordern nicht nur klassische metallische Rohstoffe, sondern in starkem Maße auch eine Reihe von Seltenen Erden. Der Name „Selten“ ist dabei etwas irreführend, da das Problem weniger in mangelnden Lagerstätten liegt, sondern der extrem aufwändigen und energieintensiven Aufbereitung zu Rohprodukten für die industrielle Fertigung.
Besonders bei Seltenen Erden zeichneten sich bereits vor Jahren kritische Abhängigkeiten ab, da China weltweit führend bei der Extraktion dieser Mineralien ist, die kaum austauschbar sind. Für jedes Kampfflugzeug des Typs F-35 müssen mehr als 450 kg Metalle der Seltenen Erden bereitgestellt werden. Eine Fregatte Klasse F125 („Baden-Württemberg“-Klasse) benötigt nach inoffiziellen Angaben etwa 1.920 kg Metalle der Seltenen Erden, ein U-Boot der Klasse 212A mehr als 3.100 kg.
Ressourcenkonkurrenz und Rohstoffstrategien
Die beschränkt verfügbaren Ressourcen wurden bereits auf verschiedenen Ebenen analysiert. Einige Industrieländer – darunter auch Deutschland – haben nationale Rohstoffstrategien.
Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung wurde als Fortschreibung der Erstfassung von 2010 Anfang 2020 aktualisiert vorgelegt. Kritisiert wurde dazu in einer gemeinsamen Erklärung von Umweltverbänden, dass die deutsche Wirtschaft als fünftgrößter Verbraucher von metallischen Rohstoffen endlich zu einem konsequenten Ausbau einer Kreislaufwirtschaft mit weitestgehendem Recycling gedrängt werden müsse.
Neben der nationalen Rohstoffstrategie gibt es von der EU-Kommission ein 2016 verfasster Sachstandsbericht, der unter dem Titel „Raw materials in the European defence industry“ veröffentlicht wurde. Dort werden detailliert 39 Rohmaterialien aufgelistet, darunter 6 Seltene Erden. Es wird darauf verwiesen, dass China bei einem Drittel dieser Rohstoffe Hauptproduzent ist. In einer neueren Studie (EU, 2020) wird die Abhängigkeit von China bei Rohmaterialien für die Rüstungsindustrie sogar mit 58% angegeben.
In den letzten Jahren haben deshalb auch in Deutschland zahlreiche geologische Untersuchungen stattgefunden. Begrenzt werden diese Aktivitäten aber durch die volatilen Weltmarktpreise, welche die Erschließung von Rohstoffvorkommen zum hohen finanziellen Risiko machen. Parallel dazu wird aber von der International Energy Agency (IEA) auf entsprechende Engpässe bei Rohstoffen für die globale Energiewende hingewiesen. In einem aktuellen Report unter dem Titel „The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions“ werden in ähnlicher Weise drohende Engpässe thematisiert. Beispielhaft wird benannt, dass ein typisches Elektroauto sechsmal mehr Mineralien als ein herkömmliches Auto, und eine Onshore-Windkraftanlage neunmal mehr Mineralien als ein Gaskraftwerk benötigt.
Dass die Transformation zu einer CO2-freien Wirtschaft zunächst mal selbst einen großen ökologischen Rucksack erfordert, wurde in einer jüngsten Studie herausgearbeitet. Berechnet wurde, dass die Umweltkosten der Transformation durch den notwendigen Einsatz von bestimmten Rohstoffen in der EU bei 39 Mrd. Euro liegen würden. Dieser hohe Betrag beläuft sich hingegen nur auf 3,7% der jährlichen CO2-Kosten. 46% der berechneten Umweltkosten gehen danach auf Batteriesysteme für die Elektromobilität und 8% auf Batterien in der Infrastruktur für erneuerbare Energien.
Auch Human-Ressourcen sind begrenzt
Statt Industrieförderung für Entwicklung von vermeintlichen Spitzentechnologien für Rüstungszecke und Rüstungsproduktion müssen die in Deutschland aktuell immer knapper werdenden personellen Ressourcen in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) dem tatsächlichen gesellschaftlichen Bedarf zugeführt werden. Dazu gehören: Handwerkliche und mittelständige Unternehmen, welche als technologische Basis für Energieeinsparungen und Klimaresilienz notwendig sind. Beispielhaft für diese Konkurrenzsituation stehen die gigantischen Entwicklungskosten für das Gesamtprojekt FCAS/MGCS. Bei diesem Projekt geht es in erster Linie um ein digital vernetztes Gesamtsystem, das vor allem IT-Fachkräfte in der Entwicklungs- und Erprobungsphase einbinden wird. Dem gegenüber steht der gesellschaftliche Bedarf zum Ausbau erneuerbarer Energien. Die Herkulesaufgabe hierbei ist, verschiedene Systeme einer ökologischen Wärme- und Stromerzeugung miteinander so zu vernetzen, dass Netzstabilität und Versorgungssicherheit gewährleistet bleiben. Dafür brauchen wir IT-Fachkräfte, die in den nächsten 10 bis 20 Jahren für ein Destruktiv-Vernetzungssystem absorbiert würden.
Der Beitrag ist eine gekürzte Version aus der Studie „Umweltauswirkungen von 100 Milliarden Euro für Rüstungsinvestitionen“. Dort sind auch Quellenangaben enthalten. Onlinefassung unter https://umwelt-militaer.org/bws