Zugangsbeschränkungen bei Umweltinformationen über das US-Militär in Deutschland
Inhalt
Abfrage von Umweltinformationen
Für Auskünfte betreffend US-Militärbasen sind in der Regel die regionalen Umweltbehörden zuständig, d.h. in den meisten Bundesländern die Regierungspräsidien (RP) oder in Rheinland-Pfalz die Struktur- und Gebietsdirektionen (SGD). Auskunftsrechte sind prinzipiell durch Landesgesetze Gesetze geregelt (z.B. Landestransparenzgesetz in Rheinland-Pfalz oder Umweltinformationsgesetz in Hessen).
Prinzipiell können Anfragen auch an US-Dienststellen erfolgen, basierend auf dem Freedom of Information Act (FOIA). Voraussetzung dafür sind aber präzise Anforderungen und ein überschaubarer Umfang der Seitenzahl, da ansonsten eine Kostenbelastung erfolgt. Infos des Pentagons dazu unter: https://open.defense.gov/Transparency/FOIA.aspx Für direkte Anfragen über ein Online-Formular siehe: https://www.foia.gov/ (Eingabe unter Agency: EUCOM) |
Fragen zu Umweltbelastungen können prinzipiell zum Gegenstand haben:
Erstens: Welche Gefahren durch bestimmte Schadstoffe oder Schadensereignisse prinzipiell möglich sind. Dieses erfordert Informationen über Art und Umfang von Schadstoffen, deren Emission (Freisetzung bzw. Eintrag in die Umwelt) und daraus sich ergebende Immissionen (Einwirkungen an bestimmten Standorten und zu bewertende Relevanz für die menschliche Gesundheit).
Zweitens: Welche Aktivitäten von Behörden aufgrund bekannter Immissionen bisher unternommen wurden und ob diese adäquat zum behördlich anerkannten Gefahrenpotenzial sind.
Restriktionen des NATO-Truppenstatuts
Handelt es sich bei dem Gegenstand der behördlichen Anfrage jedoch um militärische Liegenschaften des US-Militärs, so steht dem eine hohe Hürde gegenüber. Grundlage der Präsenz des US-Militärs auf deutschem Boden ist das NATO-Truppenstationierungsabkommen, bzw. ein dafür relevantes Zusatzabkommen (ZA-NTS). Darin sind auch Umweltverpflichtungen festgelegt, allerdings unscharf formuliert. Zugleich wird aber der auch auf Bundesebene gesetzlich geregelte Umweltinformationsanspruch dahingehend eingeschränkt, „dass die Bekanntgabe der Umweltinformationen nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu dem Entsendestaat der Gaststreitkräfte hätte“, wie es auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages explizit bestätigt wurde. Daraus ergibt sich für Umweltbehörden ein weitgehender Spielraum, um entsprechende Auskünfte zu begrenzen.
Beispielhaft dazu ein Zitat aus zwei verschiedenen Schreiben der Regionalbehörde SGD-Süd in Rheinland-Pfalz an eine Bürgerinitiative mit jeweils identischen Textstellen:
„Die Einschätzung, ob überwiegende Interessen am Schutz der eigenen Sicherheit einer Maßnahme oder Preisgabe von Informationen entgegenstehen, ist vom Entsendestaat in eigener Verantwortung vorzunehmen. Damit obliegt auch die Festlegung, welche Informationen als geheimhaltungspflichtig einzustufen sind, allein den Gaststreitkräften. Deutsche Behörden sind demnach nicht berechtigt, von dem Entsendestaat als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Informationen anders zu bewerten und an die Öffentlichkeit weiterzugeben.“
Dieses führt nicht nur zu der auch anderweitig bekannten Praxis der Schwärzungen in elektronisch freigegebenen Dokumenten.
Beispiele
Air Base Ramstein
Bei einer Anfrage nach dem Landestransparenzgesetz Rheinland-Pfalz zur Air Base Ramstein dauerte es mehr als vier Monate, bis von der regionalen Umweltbehörde SGD Süd eine tabellarische Liste der vorhandenen Dokumente vorgelegt, u.a. beinhaltend mehr als 300 Schadensfälle, die über mehrere Jahrzehnte angefallen sind. Bis zur Einsichtnahme in eine Auswahl dieser Dokumente und einer elektronischen Überlassung von Einzeldokumenten vergingen weitere Monate. Einhergehend damit waren seitens der SGD Süd mehrere Rückfragen bei dem Standortkommandanten des US-Militärs in Ramstein sowie der BimA, inwieweit die gewünschten Auskünfte zulässig seien. Immerhin konnte damit auch das Gutachten zur aktuellen wasserrechtlichen Genehmigung der Trinkwasserentnahme auf der Air Base Ramstein elektronisch übergeben werden. Damit einhergehend wurde auch die Historie der behördlichen Vorgänge bei der Behörde eingesehen. Daraus geht hervor, dass wegen der Grundwassergefährdung durch militärische Altlasten bereits 1988 von der damals zuständigen Umweltbehörde eine umfassende Grundwasserstudie und ein darauf aufbauendes Sanierungskonzept gefordert wurde. Es dauerte jedoch noch weitere 15 Jahre, bis dieses tatsächlich beauftragt und über mehrere Jahre hinweg erstellt und ergänzt wurde. Zunächst erfolgte dieses durch die deutsche Umweltbehörde, später durch US-Dienststellen im Zwei-Jahres-Zyklus als kontinuierliche Überwachung mit 30-Jahre-Prognose für die Grundwasserschichten unter der Air Base.
Air Base Spangdahlem
Bei der Air Base Spangdahlem fehlt eine der Air Base Ramstein vergleichbare Historie. Hier wurden erst 2011 PFAS-Belastungen im Umfeld des Standortes bekannt. Ein hydrogeologisches Gutachten wurde aber erst 2016 durch das US-Militär beauftragt und liegt seit Ende 2020 der SGD-Nord vor. Hier erfolgte die Einsichtnahme sehr restriktiv. Nach monatelanger Verzögerung war nur eine Einsichtnahme mit der schriftlichen Zusage möglich, dass keine Ablichtungen erlaubt seien. In welche behördlichen Aktivitäten dieses Gutachten eingebunden ist, ist aber nach wie vor unklar. Nachgehakt hat dazu eine Journalistin der Regionalzeitung Trierer Volksfreund. Die Auskunft auf die Frage nach dem langwierigen behördlichen Vorgang wurde von ihr am 2.9.2021 in einem längerem Artikelbeitrag zur PFAS-Belastung an mehreren Hot Spots in der Westpfalz zitiert. Demnach „war der bisher zuständige Mitarbeiter in Ruhestand gegangen und der neue musste sich zunächst einarbeiten. Eigentlich sollte diese Auswertung nun beendet sein – doch dann kam die Flutkatastrophe und mit ihr extrem viel Arbeit für eine Wasserbehörde. Also blieb das Gutachten liegen.“
Bewertung
Transparenz zu vorhandenen Umweltproblemen durch das US-Militär einzufordern heißt, dass die gemäß dem NATO-Truppenstationierungsabkommen vorhandenen und willkürlich angewendeten Restriktionen fallen. Nur so können Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen umfassend den Stand vorhandener Untersuchungen und eingeleiteter Sanierungsmaßnahmen beurteilen und notwendige Maßnahmen einfordern.
Dieses muss auch vor dem Hintergrund der in Deutschland generell vorhandenen behördlichen Vollzugsdefizite gesehen werden. Umweltbehörden müssen deshalb zusätzliche personelle Ressourcen und Monitoringsysteme haben, um verantwortlich und interdisziplinär Altlasten sowie neue Schadstoffeinträge als Gesamtvorgang zu verfolgen.
(Stand: 25.11.2021 / KP)
siehe auch: Objektdatenblätter PFAS – Haftung für Umweltschäden durch das US-Militär in Deutschland