Umweltschäden durch US-Militärbasen – lokal und global TP,KP
Der Beitrag erschien zuerst am 3.12.2022 bei Telepolis
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Umweltschaeden-durch-US-Militaerbasen-lokal-und-global-7363391.html
von Karl-Heinz Peil
Auch hierzulande sind US-Militärbasen umweltbelastend. Schadstoffe können zu Gesundheitsschäden führen. Bürokratie und Sonderrechte behindern Lösungen.
Inhalt
- Umweltschäden durch US-Militärbasen vor allem im Pazifik
- PFAS: Zeitbombe im Untergrund
- Aktive US-Militärbasen mit großer Bandbreite an Umweltprobleme
- Behördliche Auskünfte: Reine Glückssache
- Unterschiedliche Auskünfte zu Ramstein und Spangdahlem
- Schadensersatz durch US-Militär weitestgehend Fehlanzeige
- Behördliche Untätigkeit und Handlungsoptionen
Umweltschäden durch US-Militärbasen vor allem im Pazifik
Dass das US-Militär global als größter individuelle Verursacher von Treibhausgasen gilt, wurde spätestens 2019 durch zwei voneinander unabhängige Studien aus den USA und Großbritannien belegt.
Weniger im Fokus sind zahlreiche lokale Umweltbelastungen durch Schadstoffe im Boden, im Wasser und der Luft. Typische gesundheitliche Wirkungen sind dabei Krebserkrankungen und genetische Schäden. Einzelne lokale Belastungen entwickeln sich dabei durch behördliche Untätigkeit zu globalen Problemen.
Wenngleich dieses zahlreiche und sehr unterschiedliche Einzelursachen betrifft, so ist insbesondere das US-Militär bei der Globalisierung von Umweltproblemen an vorderster Stelle.
Seitens der US-Umweltbehörde EPA geht die Anzahl der mit verschiedenen Schadstoffen belasteten Einzelstandorte des US-Militärs in die Zehntausende, das heißt, diese sind für ein „Cleanup“ vorgemerkt. In den USA selbst ist dieses vor allem durch regionale Belastungen des Trinkwassers und dabei entstehende Anreicherungen von Schadstoffen in der Nahrungskette, etwa durch Fische aus Oberflächengewässern, das Hauptproblem.
Im Pazifikraum mit der massiven US-Militärpräsenz seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist dieses zusätzlich durch die Verklappung von Kriegsaltlasten im Meer ein globales Problem. Zudem verrotten weltweit auf dem Meeresboden tausende Schiffswracks, die vor allem im Zweiten Weltkrieg versenkt worden sind und noch mehr oder weniger große Mengen an giftigem Schweröl in ihren rostenden Tanks haben.
Ein weiteres globales Problem ist etwa der im Südpazifik lagernde US-Atommüll von hunderten Atomwaffentests in Bunkern auf den Marshall-Inseln, deren Betondeckel in absehbarer Zeit Leck schlagen und den gesamten Pazifik mit Plutonium verseuchen können.
Der britische Journalist Jon Mitchell hat die Gesamtheit der Umweltbelastungen durch das US-Militär seit dem Zweiten Weltkrieg in seinem Ende 2020 erschienenen Buch Poisoning the Pacific – The US militarys secret Dumping of Plutonium, Chemical Weapons and Agent Orange zusammengestellt. Jon Mitchell lebt seit 2010 in Okinawa, wo etwa 20 US-Militärbasen vorhanden sind und die Umweltbelastung besonders extrem ist.
Der Giftcocktail mit Schadstoffen, den die Bewohner Okinawas permanent ausgesetzt sind, entsteht durch eine Mischung aus Kriegsaltlasten (Zweiter Weltkrieg, Koreakrieg, Vietnamkrieg), sorglosem Einsatz von Giftstoffen auf den Militärbasen, der unsachgemäßen Entsorgung und Unfällen.
Hinzu kommt behördliches Versagen durch Korruption, Inkompetenz und mangelnde Handlungsspielräume. Letzteres ist vor allem durch weitestgehende Straffreiheit bei kriminellen Handlungen und Umweltvergehen gemäß dem dort gültigen Truppenstationierungsabkommen bedingt. Mitchells Verweis auf vergleichsweise bessere Regelungen in Deutschland stimmen jedoch nur in der Theorie.
Als sein wichtigstes Handwerkszeug bezeichnet Jon Mitchel die Optionen nach dem Freedom of Information Act (FOIA) der USA. Hierüber hat er bereits unzählige Dokumente des Pentagon erhalten und systematisch ausgewertet. Ferner wurden von ihm auch für japanische Journalisten Workshops zur Nutzung dieser Dokumente angeboten.
PFAS: Zeitbombe im Untergrund
Bezüglich der global auftretenden Schadstoffe in Boden und Wasser kann dabei vereinfachend unterschieden werden zwischen leicht flüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW) und Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS – früher auch als PFC bezeichnet).
Während LHKW eher lokal begrenzt Langzeitprobleme verursachen und die Konzepte für notwendige Bodensanierungen seit mehr als 20 Jahren klar definiert sind, gilt dieses nicht für die Gruppe der PFAS.
Bei PFAS handelt es sich einerseits um eine Stoffgruppe, die grob geschätzt ca. 4.700 Einzelsubstanzen beinhaltet, die in vielen Konsumartikel enthalten sind. Während man die Relevanz toxischer Wirkungen von PFAS bei zivilen Anwendungen nur schwer bewerten kann, gilt dieses nicht für die militärisch verursachten Altlasten.
Hier kann man eindeutig aufzeigen, dass trotz wissenschaftlich begründeter Dringlichkeit auf der politischen Ebene der reale Handlungsdruck noch nicht wahrgenommen wird. Deshalb gibt es seit Oktober 2022 ein Manifest für ein dringendes Verbot der „ewigen Chemikalien“, das weltweit von über 90 Umweltorganisationen getragen wird.
Bezüglich des tatsächlichen Gefahrenpotenzials für Einträge in die Umwelt konzentriert sich die Erfassung und messtechnische Überwachung auf Feuerwehr-Löschschäume und darin eingesetzte PFAS-Einzelsubstanzen PFOS und PFOA. Diese wurden auf zivilen und vor allem militärischen Flugplätzen in der Vergangenheit über mehrere Jahrzehnte exzessiv für Übungszwecke eingesetzt.
Nach dem Einsatz von Löschschäumen auf Feuerwehr-Übungsplätzen versickern diese im Boden, der damit belastet wird. Das langfristig erheblich größere Problem ist aber, dass je nach Bodenbeschaffenheit die PFAS-Stoffe PFOS und PFOA früher oder später in Oberflächengewässern und Grundwasserschichten auftreten.
Nach der Studie „The costs of inaction„, die im Auftrag des Nordic Council of Ministers Anfang 2019 erstellt wurde, können die Kosten für messtechnische Erfassung und anschließende Sanierungsmaßnahmen bei PFAS-Belastungen in die Milliarden gehen – jedes Jahr. Die Studie hat PFAS-Folgekosten für den Europäischen Wirtschaftsraum (EU-Länder plus Norwegen, Island und Grönland) erstmals grob beziffert.
In Deutschland betrifft dieses zwar auch rein zivile Flughäfen wie Düsseldorf und Nürnberg, vor allem aber militärische Flughäfen. Dabei ist auch die Bundeswehr-Luftwaffe mit dem Fliegerhorst Manching bei Ingolstadt vertreten, jedoch bestehen die gravierendsten Probleme bei US-Militärbasen, sowohl aktiv genutzte als auch Konversionsflächen nach früherer Nutzung.
Aktive US-Militärbasen mit großer Bandbreite an Umweltprobleme
Weit über 100 Militärstandorte in Deutschland gelten als schadstoffbelastet oder als Verdachtsflächen. Vor allem handelt es sich dabei um aktive Flugplätze oder früher genutzte Flächen des US-Militärs. Wenngleich die Bandbreite der in Deutschland im Umfeld von US-Militärbasen vorhandenen Umweltprobleme im Vergleich zu Japan eher begrenzt ist, so sind die vorhandenen Einzelprobleme aber nicht weniger gravierend und addieren sich zu erheblichen gesundheitlichen Gesamtbelastungen.
Bei Umweltproblemen durch das US-Militär ist aber meistens nicht von Schadstoffen in Boden und Trinkwasser die Rede, sondern von regionalen Sonderbelastungen. An den Standorten Ansbach-Katterbach und Wiesbaden-Erbenheim gibt es seit langen Jahren Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm von Hubschrauberstaffeln.
In der Großregion Kaiserslautern besteht seit langen Jahren eine militärische Verlärmung als Doppelbelastung durch die Kampfjet-Übungszone TRA-LAUTER in diesem Gebiet und der Flugtransport-Drehscheibe Ramstein. Bedingt durch die Rolle Ramsteins als logistische Drehscheibe für Lieferungen von Kriegsmaterial in die Ukraine haben diese Belastungen in diesem Jahr noch erheblich zugenommen.
Hinzu kommt dort seit Jahren der Kerosinablass durch Flugzeuge, sowohl durch zivile Flugzeuge im Landeanflug auf Frankfurt a.M. als auch Militärflugzeuge zur Air Base Ramstein. Dabei handelt es sich um eine prinzipiell von der zuständigen Flugsicherungsbehörde zu genehmigende Maßnahme für Notfälle.
In den allermeisten Fällen geht es um technische Probleme, die nach einem Flugzeugstart auftreten und angeblich eine Reduzierung des Landegewichtes erfordern. Strittig ist vor allem auch, welche gesundheitlichen Belastungen hierdurch entstehen können.
Das Umweltbundesamt verneint dieses aufgrund von Studien, die auf Simulationen beruhen. Dazu im Widerspruch steht aber, dass rund um die Air Base Ramstein Kerosinpfützen im Wald oder Kerosinschleier auf Fenstern dokumentiert sind.
Völlig offen ist, inwieweit dieses durch nicht genehmigte Treibstoffablässe erfolgt ist, etwa im Rahmen von Übungen der Luft-Betankungsflugzeuge, die in Ramstein stationiert sind. Dazu besteht ebenso wenig Transparenz wie über besonders gesundheitsschädliche Additive im Kerosin militärischer Flugzeuge.
Behördliche Auskünfte: Reine Glückssache
Ein ersten Schritt zu notwendiger Aufklärung sind parlamentarische Anfragen. Speziell zu PFAS gibt es mittlerweile zahlreiche Anfragen im Bundestag aus den zurück liegenden Legislaturperioden sowie ähnlich gelagerte, auf regionale Standorte bezogene Anfragen in den Landtagen von Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern.
Wesentliche Aussagen in Regierungsantworten sind hierbei solche, wie die auf (noch) laufende Untersuchungen, Unbedenklichkeit von Schadstoffkonzentrationen nach bisherigen Erkenntnissen und der Verweis auf Zeithorizonte für eine „abschließende Gefährdungsabschätzung“. Erfahrungsgemäß sind die meisten Auskünfte eher schwammig.
Für Auskünfte betreffend US-Militärbasen sind in der Regel die regionalen Umweltbehörden zuständig, d.h. die Regierungspräsidien (RP) in Hessen und Bayern sowie in Rheinland-Pfalz die Struktur- und Gebietsdirektionen (SGD). Auskunftsrechte sind prinzipiell durch Landesgesetze geregelt (z.B. Landestransparenzgesetz in Rheinland-Pfalz oder Umweltinformationsgesetz in Hessen).
Handelt es sich bei dem Gegenstand der behördlichen Anfrage jedoch um militärische Liegenschaften des US-Militärs, so steht dem eine hohe Hürde gegenüber. Grundlage der Präsenz des US-Militärs auf deutschem Boden ist das Nato-Truppenstationierungsabkommen, bzw. ein dafür relevantes Zusatzabkommen (ZA-NTS). Darin sind auch Umweltverpflichtungen festgelegt, allerdings unscharf formuliert.
Zugleich wird aber der auch auf Bundesebene gesetzlich geregelte Umweltinformationsanspruch dahingehend eingeschränkt, „dass die Bekanntgabe der Umweltinformationen nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu dem Entsendestaat der Gaststreitkräfte hätte“, wie es auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages explizit bestätigt wurde. Daraus ergibt sich für Umweltbehörden ein weitgehender Spielraum, um entsprechende Auskünfte zu begrenzen.
Beispielhaft dazu ein Zitat aus zwei verschiedenen Schreiben der Regionalbehörde SGD-Süd in Rheinland-Pfalz an eine Bürgerinitiative mit jeweils identischen Textstellen:
Die Einschätzung, ob überwiegende Interessen am Schutz der eigenen Sicherheit einer Maßnahme oder Preisgabe von Informationen entgegenstehen, ist vom Entsendestaat in eigener Verantwortung vorzunehmen. Damit obliegt auch die Festlegung, welche Informationen als geheimhaltungspflichtig einzustufen sind, allein den Gaststreitkräften. Deutsche Behörden sind demnach nicht berechtigt, von dem Entsendestaat als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Informationen anders zu bewerten und an die Öffentlichkeit weiterzugeben.
Unterschiedliche Auskünfte zu Ramstein und Spangdahlem
Bei einer Anfrage nach dem Landestransparenzgesetz Rheinland-Pfalz zur Air Base Ramstein dauerte es mehr als vier Monate, bis von der regionalen Umweltbehörde SGD Süd eine tabellarische Liste der vorhandenen Dokumente vorgelegt wurde, u.a. beinhaltend mehr als 300 Schadensfälle, die über mehrere Jahrzehnte angefallen sind.
Bis zur Einsichtnahme in eine Auswahl dieser Dokumente und einer elektronischen Überlassung von Einzeldokumenten vergingen weitere Monate. Einhergehend damit waren seitens der SGD Süd mehrere Rückfragen bei dem Standortkommandanten des US-Militärs in Ramstein, inwieweit die gewünschten Auskünfte zulässig seien. Immerhin konnte damit auch das Gutachten zur aktuellen wasserrechtlichen Genehmigung der Trinkwasserentnahme auf der Air Base Ramstein elektronisch übergeben werden.
Aus der Historie der behördlichen Vorgänge geht hervor, dass wegen der Grundwassergefährdung durch militärische Altlasten bereits 1988 von der damals zuständigen Umweltbehörde eine umfassende Grundwasserstudie und ein darauf aufbauendes Sanierungskonzept gefordert wurde. Es dauerte jedoch noch weitere 15 Jahre, bis dieses tatsächlich beauftragt und über mehrere Jahre hinweg erstellt und ergänzt wurde.
Bei der Air Base Spangdahlem fehlt eine solche Historie. Hier wurden erst 2011 PFAS-Belastungen im Umfeld des Standortes bekannt. Ein hydrogeologisches Gutachten wurde aber erst 2016 durch das US-Militär beauftragt und liegt seit Ende 2020 der SGD-Nord vor. Hier erfolgte die Einsichtnahme sehr restriktiv. Nach monatelanger Verzögerung war nur eine Einsichtnahme mit der schriftlichen Zusage möglich, dass keine Ablichtungen erlaubt seien.
In welche behördlichen Aktivitäten dieses Gutachten eingebunden ist, ist aber nach wie vor unklar. Nachgehakt hat dazu eine Journalistin der Regionalzeitung Trierer Volksfreund. Die Auskunft auf die Frage nach dem langwierigen behördlichen Vorgang wurde von ihr am 2.9.2021 in einem längerem Artikelbeitrag zur PFAS-Belastung an mehreren Hotspots in der Westpfalz zitiert.
Demnach „war der bisher zuständige Mitarbeiter in Ruhestand gegangen und der neue musste sich zunächst einarbeiten. Eigentlich sollte diese Auswertung nun beendet sein – doch dann kam die Flutkatastrophe und mit ihr extrem viel Arbeit für eine Wasserbehörde. Also blieb das Gutachten liegen.“
Schadensersatz durch US-Militär weitestgehend Fehlanzeige
Der bereits erwähnte Journalist Jon Mitchel verweist in seinem Buch unter Bezug auf die Untätigkeit der japanischen Behörden gegenüber den genannten Umweltschäden, dass diesen aufgrund des ungünstigen Truppenstationierungsabkommens Japans mit den USA faktisch die Hände gebunden seien.
Als Gegenbeispiel führt er an, dass gemäß dem entsprechenden Abkommen in Deutschland nur 25 Prozent der vom US-Militär verursachten Kosten von deutschen Behörden übernommen würden und damit der größte Teil zur Schadensbeseitigung bzw. Bodensanierung von den US-Militärs selbst. Diese Aussage ist zwar prinzipiell richtig, jedoch kommt diese Festlegung in der Realität nur selten zur Anwendung.
Behördliche Untätigkeit und Handlungsoptionen
Die kostenintensivste Sanierungsmaßnahme aufgrund von Schadstoffeinträgen des US-Militärs erfolgte wohl am Standort der früheren Rhein-Main Air Base, dem derzeitigen Baugelände des Terminal 3 am Frankfurter Flughafen. Dort wurden ca. 500.000 Kubikmeter Erdaushub als PFAS-belastet zunächst zwischengelagert und anschließend auf verschiedene, weit entfernte Sonderdeponien verfrachtet. Brisant ist hierbei, dass PFAS-taugliche Deponien deutschlandweit kaum verfügbar sind.
Die auf eine Anfrage des Autors beim zuständigen Regierungspräsidium vorgelegten Unterlagen für den Endverbleib des belasteten Bodens verweisen auch auf eine Deponie in Sachsen-Anhalt, wo diese Endlagerung nur mit einer speziellen Sondergenehmigung ermöglicht wurde.
Die gewaltigen Kosten für den Flughafenbetreiber Fraport spielten aber offenbar keine große Rolle. Nach der Schließung der Air Base 2005 waren zwar die PFAS-Belastungen bereits bekannt, wurden aber erst in den letzten Jahren systematisch untersucht.
Im Rahmen einer Kleinen Anfrage im Bundestag wurde dazu auch hinterfragt, warum das US-Militär nicht für die Sanierungskosten herangezogen wurde. Die Antwort: Der US-Feuerlösch-Übungsplatzes sei auch durch die zivile Feuerwehr des Flughafens mitbenutzt worden, weshalb der Verursacher nicht eindeutig sei.
Im Falle der Umgebungsbelastungen durch die Air Base Spangdahlem gab es aber tatsächlich einen Fall mit Entschädigungszahlungen. Die örtliche Verbandsgemeinde Wittlich-Land erhielt 2017 als örtlicher Abwasser-Entsorger fast eine halbe Million Euro von der Bundesanstalt für Immobilien (BImA) für Mehrkosten bei der Verbrennung des PFAS-belasteten Klärschlamms. Diese Kosten wurden überwiegend an das US-Militär weiter gereicht. Seitdem werden aber weitere Schadensersatzforderungen wegen PFAS abgelehnt.
Eine Klage der Verbandsgemeinde Wittlich-Land vor dem Landgericht Trier wurde mit Urteil vom 12.10.2021 abgelehnt, mit dem absurden Hinweis, dass das US-Militär nicht zu 100 Prozent als Verursacher feststehe. Verwiesen wurde auf einen bekannten Fall, in dem an dem örtlichen Feuerwehrhaus bei einem Junggesellenabschied ein Schaumteppich ausgelegt wurde.
In Ansbach-Katterbach hatte der Besitzer eines Mehrfamilienhauses wegen der nicht mehr möglichen Direktnutzung von Grundwasser durch einen eigenen Brunnen geklagt, nachdem Anfang 2018 von der US-Umweltabteilung am Militärstandort selbst auf die PFAS-Belastung hingewiesen wurde. Die Klage wurde Anfang August 2021 abgewiesen. Dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht gegeben sei, wird neben Hinweisen auf zu wahrende Fristen nach dem Nato-Truppenstatut wie folgt in bestem Juristendeutsch begründet:
Für die Folgen einer Verunreinigung des Grundwassers unter dem klägerischen Grundstücks folgt dies schon daraus, dass aus belastetem Grundwasser unter einem Grundstück allein keine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche hergeleitet werden können, da das Grundwasser einer vom Grundeigentum losgelösten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterworfen ist.
Die politisch tolerierte Untätigkeit von Umweltbehörden hat letztlich mehrere zusammenhängende Ursachen. Zunächst ist die Prozesskette zur Behandlung von Schadstoffbelastungen wie vor allem bei PFAS sehr komplex. Wenn diese innerhalb des Standortes auftreten, werden solche mittlerweile von US-Dienststellen selbst gemeldet.
Teilweise werden diese aber erst durch Immissionen außerhalb des Standortes registriert, wie bei Schadstoffen in Brunnenwasser oder Oberflächengewässern. Die regionale Umweltbehörde muss dann offiziell in Verbindung mit der BImA als formelle Eigentümerin der US-Militärbasen aktiv werden.
Für hydrogeologische Gutachten als Basis für Schadstoffbewertung und die eventuell recht aufwändige, kontinuierliche Überwachung auf dem US-Militärgelände müssen dann von dem US-Kongress die Geldmittel bereitgestellt werden.
Erst dann kann nach vorhergehender Ausschreibung die gutachterliche Detailprüfung mit aufwändigen Messstellen im Grundwasser durchgeführt werden. Die deutschen Umweltbehörden müssen hierbei den Gesamtvorgang verfolgen, was aufgrund von Personalmangel – der sich tendenziell verschärft – zu Vollzugsdefiziten bei Überwachung und Einleitung von Maßnahmen führt.
Für zivilgesellschaftlichen Widerstand ergibt sich letztlich auch eine komplexe Gemengelage, durch die behördliche Teilung der Aufgaben, etwa die untere und obere Wasserbehörde, aktive oder passive Rolle der BImA als Eigentümerin, Wahrnehmung der Überwachungsaufgaben durch Umwelt-/Ingenieurabteilungen der US-Militärs am Standort und letztlich auch der Auskunftsfreudigkeit bzw. Auskunftsverweigerung der deutschen Umweltbehörden.
Kurzfristig muss deshalb volle Transparenz zu vorhandenen Umweltproblemen durch das US-Militär eingefordert werden, wozu die gemäß dem Nato-Truppenstationierungsabkommen vorhandenen und willkürlich angewendeten Restriktionen fallen müssen. Nur so können Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen umfassend den Stand vorhandener Untersuchungen und eingeleiteter Sanierungsmaßnahmen beurteilen und notwendige Maßnahmen einfordern.
Die grundsätzliche und schwierigste Aufgabe ist, vor allem bei Kommunal- und Landespolitikern einzufordern, dass nicht mehr eine irrsinnige Werbung für die Fortdauer der regionalen US-Militärpräsenz erfolgt. Bedingt durch den Ukrainekrieg erfolgt derzeit sogar ein Ausbau mehrerer US-Standorte in Deutschland.
Für die sozioökonomische Entwicklung strukturschwacher Regionen ist diese kein Rettungsanker, sondern nicht nur wegen der hier verkürzt dargestellten Umweltprobleme eine Belastung. Konversionskonzepte für zivile Nachnutzungen von US-Militärstandorten gibt es mittlerweile sowohl für die Großregion Kaiserslautern als auch für andere Regionen, wozu leider auch der notwendige Aufwand zur Flächensanierung aufgrund vorhandener Umweltschäden zählt.
Umweltbelastungen und Behinderungen in der zivilen Wirtschaftsentwicklung von US-Militärregionen sind jedoch nur einige Gründe im gesamten politischen Kontext, den etwa Oskar Lafontaine mit seinem jüngsten Buch unter dem Titel Ami, it’s time to go formuliert hat.
Quellenangaben und weitere Infos
In vorliegendem Beitrag wird aus mehreren unveröffentlichten Quellen zitiert, die dem Autor vorliegen. Deren Weitergabe unterliegt jedoch gewissen Restriktionen. Aktuelle und weitergehende Informationen finden sich unter https://umwelt-militaer.org, darunter auch Objekt-Datenblätter mit näheren Informationen zu einzelnen Militärstandorten mit lokalen Belastungen.
Eine umfassende Darstellung der PFAS-Thematik mit der Broschüre „PFAS – Zeitbombe im Untergrund“ ist online als PDF abrufbar.
Zusammenstellung von Links mit parlamentarischen Auskünften aufgrund Kleiner Anfragen im Bundestag.