7 Ausblick
Umweltauswirkungen von 100 Milliarden Euro für Rüstungsinvestitionen
Problemaufriss und Kurzstudie
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Inhalt
7.1 Problemaufriss Konflikte und Klimawandel
Abb. 7-1: Abhängigkeiten und Auswirkungen des Klimawandels Der Zusammenhang zwischen den Folgen des Klimawandels und militärischen Konflikten ist komplex. In der Regel entstehen Konflikte aus einer Gemengelage, bei welcher der Klimawandel im Einzelfall sowohl als eine von mehreren Ursachen, wie auch als Katalysator anzusehen ist. Militärische Interventionen wirken nur auf Symptome, aber nie auf Ursachen. |
Auch solche kriegerischen Konflikte wie der Ukraine-Krieg, die nicht unmittelbar mit den Wirkungen des Klimawandels in Verbindung stehen, können diesbezüglich zumindest indirekte Rückwirkungen haben.
Der Krieg zeigt die Schwächen der bisherigen Klima- und Nachhaltigkeitspolitik ebenso auf wie er deren Dringlichkeit unterstreicht. Gleichzeitig untergräbt er nachhaltige Lösungen, indem er Gelder und Ressourcen umleitet, die öffentliche Aufmerksamkeit verlagert, Märkte destabilisiert, Kooperationen beeinträchtigt, geopolitische Konflikte auslöst, Natur und Gesellschaft durch Aufrüstung und Krieg zerstört. Noch knapper werden wahrscheinlich Vertrauen, Teilhabe und Kooperation, die für die notwendigen gemeinsamen Lösungen dringend erforderlich sind. Der permanente Krisenmodus der politischen Reaktionen lässt den Handlungsspielraum für die Gestaltung einer globalen nachhaltigen Zukunft immer weiter schrumpfen.1Spangenberg u. Kurz. 2022: Zeitenwende: Unbequeme Einsichten, unsichere Aussichten
7.2 Alternativkonzepte
Die vier deutschen Friedensforschungsinstitute veröffentlichen jährlich ein Friedensgutachten (FG) mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Diese Gutachten sind zwar eine hilfreiche Informationsquelle, jedoch ohne praktische Konsequenz für die Regierungspolitik2Zum selbst gesetzten Anspruch heißt es auf der gemeinsamen Homepage: „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten untersuchen darin internationale Konflikte aus einer friedensstrategischen Perspektive und geben klare Empfehlungen für die Politik“. https://friedensgutachten.de/ueber-uns, da zwar viele Probleme im Detail benannt, aber keine grundsätzlichen Alternativen entwickelt werden. Im Friedensgutachten 2022 werden z.B. deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine begrüßt.
Im FG 2020 wurde thematisiert, inwieweit der Klimawandel als Sicherheitsrisiko einzuschätzen ist.3https://friedensgutachten.de/archiv/2020/ausgabe Beispielhaft für eine sehr akademische Sichtweise heißt es darin: „Die nachweisbaren Auswirkungen des Klimawandels auf Gewaltkonflikte sind bisher aber begrenzt. Vereinfachende Annahmen, dass der Klimawandel notwendig zu mehr Gewalt und Krieg führe, sind nicht haltbar.“ Bemerkenswert ist daran, dass diese Thematik von regierungsnahen Stellen bereits vor langen Jahren behandelt wurde.4Titel: Welt im Wandel – Sicherheitsrisiko Klimawandel https://www.wbgu.de/fileadmin/user_upload/wbgu/publikationen/archiv/wbgu_jg2007.pdf Beispielsweise schrieb der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen in einem Gutachten aus dem Jahr 2007, dass „etwa ab 2025 klimainduzierte Sicherheitsrisiken in den Weltregionen“ zu erwarten seien, wenn Klimaschutzbemühungen scheitern würden.
Abb. 7-2: Nachhaltigkeitsziele der UNO – Agenda 2030 (Grafik: UNO) Einzelne SDGs werden z.B. auch in den letzten Nachhaltigkeitsberichten des BMVg zitiert. Während aber Sicherheitskonzepte mit militärischen Großgeräten naturgemäß auf zwischenstaatliche Konflikte ausgelegt sind, fordern die Nachhaltigkeitsziele der UNO (Sustainable Development Goals – SDGs) mit dem Ziel 17 explizit eine umfassende internationale Kooperation zur Erreichung der 16 Einzelziele. |
Inzwischen müssen zusätzlich zu den potenziellen Klimakonflikten auch mögliche Konflikte um den Zugang zu knappen Ressourcen betrachtet werden, die durch eine deutliche Steigerung des militärischen Ressourcenverbrauchs weiter angeheizt würden (und wenn diese Konflikte zu militärischen Aktionen führen, einen Teufelskreis aus Krise und Intervention begründen könnten).
Alternativen zu militärischer Verteidigung
An dieser Stelle sei nur kurz auf Konzepte verwiesen, die teilweise bereits langjährig existieren und häufiger in friedenspolitische Diskurse eingebracht werden. Sie haben gemeinsam, dass sie – intendiert oder als Nebeneffekt – den Ressourcenkonsum gegenüber einer konventionellen Sicherheitspolitik deutlich verringern würden. Die Konzepte reichen von Forderungen nach effizienter militärischer Ausrüstung bis hin zu pazifistischer Fundamentalkritik. Letztere reicht historisch zurück bis ins Ende des 19. Jahrhunderts und das Engagement von Bertha von Suttner, die 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Ein aktuell weit verbreiteter Ansatz ist die „Zivile Konfliktbearbeitung“1, die von verschiedenen Friedensorganisationen propagiert wird.
Konzept „Gemeinsame Sicherheit“
Der Begriff „Gemeinsame Sicherheit“ stammt von dem gleichlautenden Bericht unter Vorsitz des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, der 1982 zur 2. UNO-Sondervollversammlung für Abrüstung vorgelegt wurde. Die sechs ursprünglichen Grundsätze der Palme-Kommission vor dem damaligen Hintergrund des Wettrüstens zwischen den USA und der Sowjetunion (bzw. NATO und Warschauer Pakt) lauteten:
1. Alle Nationen haben ein legitimes Recht auf Sicherheit
2. Militärische Gewalt ist kein legitimes Mittel zur Lösung von Streitigkeiten zwischen Nationen
3. Zurückhaltung ist notwendig, wenn es darum geht, die nationale Politik zum Ausdruck zu bringen
4. Sicherheit kann nicht durch militärische Überlegenheit erlangt werden
5. Reduzierungen und qualitative Begrenzungen der Rüstung sind für die gemeinsame Sicherheit notwendig
6. Verknüpfungen zwischen Rüstungsverhandlungen und politischen Ereignissen sollten vermieden werden.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat diese Prinzipien gebrochen, aber damit nicht aufgehoben. Während Russland dazu gebracht werden muss, die Missachtung der ersten drei Prinzipien rückgängig zu machen, wären seine gegenwärtigen Gegner gut beraten, die übrigen drei Prinzipen in ihrer Friedens- und Nachkriegspolitik zu berücksichtigen. Sonst besteht die Gefahr, dass der Ukraine-Krieg der erste einer ganzen Reihe von weiteren und eskalierenden Konflikten gewesen sein könnte.
In diesem Sinne betont auch der im April 2022 veröffentlichte Bericht „Common Security 2022“:
Die Welt steht an einem Scheideweg. Sie steht vor der Wahl zwischen einer Existenz auf der Grundlage von Wettbewerb und Aggression oder einer Existenz, die auf einer transformativen Friedensagenda und gemeinsamer Sicherheit beruht.
Im Jahr 2022 ist die Menschheit mit den existenziellen Bedrohungen eines Atomkriegs, des Klimawandels und von Pandemien konfrontiert.5Deutsche Fassung: https://www.ipb.org/wp-content/uploads/2022/04/2022-04-14_Palme-Report2.0-de.pdf
Abb. 7-3: Common Security Report 2022 Herausgeber sind: das Olof Palme International Center, Stockholm, der Weltgewerkschaftsbund (ITUC) und das Internationale Friedensbüro (IPB). Grafik: SharePic von Homepage IPB |
Wirtschaftspolitik gegenüber dem globalen Süden
Sozioökonomische Partnerschaften können auch vor dem Hintergrund der Agenda 2030 nur dann als solche bezeichnet werden, wenn sie nicht von wirtschaftlich Stärkeren diktiert werden. Sonst werden sie zu Strategien der Rohstoffausbeutung des Schwächeren, in Verbindung mit der Erschließung von Absatzmärkten für die eigenen Produkte. Dabei würden sowohl die Klimakrise verschärft als auch globale militärische Konflikte geschürt.
Hierzu muss auf die ethischen Grundsatzfragen verwiesen werden, die z.B. schon 2008 in der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“6Herausgeber: BUND, Brot für die Welt und Evangelischer Entwicklungsdienst, PDF-Fassung unter: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/3016/file/3016_Zukunftsfaehiges_Deutschland.pdf des Wuppertal-Instituts thematisiert wurden. Dies gilt vor allem mit dem Schwenk zur Nutzung von LNG-Brennstoffen und einer Wasserstoffstrategie, die auf globale Rohstofflieferanten und fragile Lieferketten setzen, Umweltbelastungen in ärmere Länder verlagern, diese dauerhaft zu Rohstofflieferanten stempeln (Neokolonialismus) und so alle Aussichten auf eine global nachhaltige Entwicklung unterminieren würden.
7.3 Detailforderungen
Berichtswesen und Reduzierungsziele
Abb. 7-4: Berichtswesen als Hebel für Ressourceneinsparung und Emissionsreduktionen Dieses wäre eine Verknüpfung von Vorschlägen des UBA zur Ressourceneffizienz bzw. dessen Darstellung und einer Weiterentwicklung des THG-Berichtswesens der IPCC. Bereits vorhandene, internationale Normen (ISO- und EN-Standards) müssen hierbei einbezogen werden. |
Als Forderung an die Weltklimakonferenz COP27 konzipiert, ist die vollständige und verpflichtende Einbeziehung des Militärs in die Zielsetzungen zur Reduzierung der Treibhausgase ein dringend notwendiger Schritt. Um diesen verifizierbar gehen zu können, ist ein standardisiertes Berichtswesen für militärische Emissionen unabdingbar. Dieses darf keine der bisherigen Freiräume für ein freiwilliges und selektives Berichtswesen offen lassen.
Die industrielle Rüstungsproduktion mit den vor- und nachgelagerten Prozessketten muss gleichfalls diesen Anforderungen unterliegen. Eine entsprechende britische Initiative („The military emissions gap“)7https://militaryemissions.org/ basiert auf einem Gesamtkonzept („Framework“) mit umfassenden normativen Vorschlägen, woraus ein Auszug im Anhang A.7: Schlüsselkategorien zur Erfassung militärischer Treibhausgase beigefügt ist.8Cottrell, 2022
Aufrüstung versus sozial-ökologischer Umbau
Abb. 7-5: Politische Ziele auf Basis vorhandener Konzepte Zur Erreichung der verknüpften Ziele sind auch Kooperationen zwischen Umwelt- und Sozialverbänden notwendig, wie sie z.B. vor der Bundestagswahl 2021 zwischen BUND und paritätischen Gesamtverband unter dem Stichwort Zukunftsagenda entwickelt wurden.-Im Zeichen der aktuellen Energiekrise und daraus ausgelöster Sozialproteste muss die Verknüpfung innen- und außenpolitischer Grundsatzforderungen wieder auf die Agenda. |
Die außenpolitisch ausgerichtete Konzeption für Gemeinsame Sicherheit muss innenpolitisch mit dem auch zwischen Umweltverbänden und den Gewerkschaften diskutierten Konzept eines sozial-ökologischen Umbaus verknüpft werden. Für eine grundlegende industriepolitische Neuorientierung sollte dabei die Kooperation mit nationalen Kampagnen anderer Länder gesucht werden, die sich mit dem Slogan „One Million [new] Climate Jobs“ auch global vernetzt haben unter „Global Climate Jobs“.9https://www.globalclimatejobs.org/
Militärische Abrüstung ist zudem ein notwendiger Schritt zur Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge, die mit zunehmenden Herausforderungen zur Resilienz gegenüber den ökologischen und gesundheitlichen Wirkungen des Klimawandels immer dringlicher wird. Sie würde Ressourcen für die Klimawende frei machen, internationale Konflikte vermeiden und die Verschiebung finanzieller Belastungen auf künftige Generationen beenden helfe.
Literaturhinweise
Autorenkollektiv
Gemeinsame Sicherheit 2022 | International Peace Bureau
https://www.ipb.org/wp-content/uploads/2022/04/2022-04-14_Palme-Report2.0-de.pdf
englisch: https://www.ipb.org/activities/common-security-report-2022/