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. Geopolitik | Klima und Umwelt global

EU: Klimawandel als Sicherheitsproblem

21.01.202214.03.2022

EU arbeitet an Militärstrategie für die Klimakrise. Diskutiert werden unter anderem zunehmende Militärinterventionen im Rahmen der „Katastrophenhilfe“ und in Ressourcenkriegen.

Redaktion German Foreign Policy (21.1.2022)
Quelle: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8818/

BERLIN/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – EU-Strategen intensivieren die Entwicklung von Grundzügen einer EU-Militärstrategie für die voll einsetzende Klimakrise. Wie es kürzlich auf einer Tagung des Europäischen Auswärtigen Diensts (EAD) und des EU Institute for Security Studies (EUISS) hieß, müsse man sich in Zukunft intensiver mit dem „Zusammenhang aus Klima und Sicherheit“ befassen. Auch sollten „Umweltbedenken und … Klimawandel“ künftig in „Planung und Implementierung“ von EU-Militärinterventionen einbezogen werden; freilich gelte unverändert der Vorrang der militärischen Logik: „mission first“. Einen zunehmenden „Bedarf“ an Interventionen der Militärs sehen die Strategen unter anderem bei „Katastrophenhilfe“ im Fall „extremer Wetterereignisse“, aber auch bei eventuell eskalierenden Ressourcenkriegen. Auf NATO-Ebene werden die Folgen des Klimawandels ebenfalls zunehmend diskutiert, etwa mit Bezug auf den geostrategischen „Wettbewerb um Ressourcen und Seewege“ in einer von der Eisschmelze erfassten Arktis. In Bundeswehrkreisen ist von einem Wechsel „vom Leopard zum E-Opard“ die Rede.

Inhalt

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  • „Verteidigungssektor“ als Teil der Klimakrisenlösung
  • „Mission first“
  • Zwischen „humanitärer Mission“ und Ressourcenkrieg
  • „Abnehmender Bedarf an fossilen Energieträgern“
  • Nato auf Klimakurs
  • Vom Leopard zum E-Opard
  • Quellenangaben

„Verteidigungssektor“ als Teil der Klimakrisenlösung

EU-Strategen intensivieren ihre Bemühungen, Grundzüge einer EU-Militärstrategie für die voll einsetzende Klimakrise zu entwerfen. Zuletzt suchten der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) und das EU Institute for Security Studies (EUISS) Anfang Dezember 2021 auf einer Konferenz nach Wegen, um dem komplexen „Zusammenhang aus Klima und Sicherheit“ erfolgreich begegnen zu können.[1] Dabei wurde der „Verteidigungssektor“ von den Konferenzteilnehmern als ein Teilmoment der „Lösung der Klimakrise“ angesehen.[2] Dies gelte nicht nur hinsichtlich der zunehmenden Wetterextreme und Naturkatastrophen samt wachsender „humanitärer Nachfrage“, an die man sich im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU anzupassen habe, sondern auch beim Ressourcenverbrauch des europäischen Streitkräfte, die „einer der größten Energiekonsumenten“ des Kontinents seien. An der Konferenz nahmen neben Industrievertretern und Wissenschaftlern auch Funktionäre der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA), der EU-Kommission und der NATO sowie Vertreter der Verteidigungsministerien Frankreichs, der Niederlande und Kanadas teil.

„Mission first“

Die Konferenzteilnehmer kamen laut Ergebnisprotokoll überein, die EU müsse in ihre Fähigkeiten zur „strategischen Weitsicht“ bezüglich der Verknüpfungen zwischen Klimawandel und Konflikten bzw. Krisen investieren, um deren Dynamik besser verstehen zu können. Es gehe konkret um den Ausbau von Kapazitäten bei Frühwarnsystemen und Nachrichtendiensten sowie um die Formung eines „Lagebewusstseins“ bei den entsprechenden Institutionen. Im Rahmen der GSVP würden derzeit elf zivile und sechs militärische Einsätze durchgeführt, bei denen es in Zukunft notwendig sein werde, „Umweltbedenken und den Klimawandel in die Planung und Implementierung“ der Einsätze zu „integrieren“. Dennoch müsse weiterhin das – so wörtlich – Prinzip „mission first“ gelten, wonach die Reduktion der CO2-Emissionen den Erfolg einer EU-Militärintervention „nicht behindern“ dürfe. Klimaschutz bleibt somit der militärischen Logik und deren Erfordernissen untergeordnet.

[nach oben]

Zwischen „humanitärer Mission“ und Ressourcenkrieg

Dabei werde der „Bedarf“ an EU-Militärinterventionen aufgrund „unvorhersehbarer und extremer Wetterereignisse“ rasch ansteigen, hieß es weiter: Die Anforderungen an „Katastrophenhilfe“ und „humanitäre Missionen“ nähmen zu. Auch gehe man davon aus, dass Armeen künftig routinemäßig bei Katastrophen im Inneren ihrer Länder eingesetzt würden. Klimawandel könne aber auch den „Zugang zu Ressourcen verschlechtern“; das werde Konflikte – gemeint sind offenbar Ressourcenkriege – „verlängern und intensivieren“. Die EU-Armeen müssten sich folglich darauf einstellen, Operationen unter „vielfältigen Bedingungen“ zu führen – etwa in einem „heißen und trockenen Klima“ oder in „arktischen und Küstenregionen“. Der durch den Klimawandel zunehmende „Krisendruck“ werde überdies zur Zunahme spezifischer Konfliktformen führen. Als Beispiele dafür wurden Migrationsbewegungen, organisiertes Verbrechen und Terrorismus genannt.

„Abnehmender Bedarf an fossilen Energieträgern“

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) und das EUISS stellen in Aussicht, Konferenzen zum Themenkomplex Klima und Krieg künftig alljährlich durchzuführen. Das Treffen im Dezember diente faktisch nur als Diskussionsplattform, auf der die längst eingeleitete klimabedingte Umformung der militärischen Interventionsfähigkeiten der EU erörtert wurde. Der EAD hatte dem Europäischen Rat schon im November 2020 [3] und im Oktober 2021 [4] entsprechende Strategiepapiere vorgelegt, in denen der oben skizzierte „integrale Ansatz“ zur außen- und militärpolitischen Dimension der Klimakrise dargelegt wurde. Dabei wurden nicht nur die Folgen der Klimakrise kalkuliert, sondern auch der geostrategische Fallout der Energiewende, die insbesondere in der Bundesrepublik als künftiger Konjunktur- und Exporttreiber angesehen wird.[5] So könne der „abnehmende Bedarf an fossilen Energieträgern“ in all jenen Regionen, die auf deren Export ökonomisch angewiesen seien, zu zunehmender Instabilität führen und Fluchtbewegungen auslösen.[6] Erste Einschätzungen der EU-Bemühungen hingegen, eine „grüne“ Interventionsstreitmacht zu schaffen, kamen zu einem vorwiegend negativen Ergebnis: Bislang gebe es keine konkreten Reduktionsziele für die Emissionen des Militärs.[7]

Nato auf Klimakurs

Die EU-Verteidigungsminister waren schon 2019 übereingekommen, auf die zunehmenden klimabedingten Instabilitäten in enger Kooperation mit der NATO zu reagieren, um „Synergien“ erzielen zu können.[8] Tatsächlich bemüht sich der westliche Militärpakt laut Medienberichten verstärkt, die militärpolitische Dimension der Klimakrise ganz „vorn auf seiner Agenda“ zu platzieren.[9] Anlässlich des NATO-Gipfels im Juni 2021 hieß es, die Klimakrise ziehe „Folgen für die Sicherheit aller Mitgliedstaaten“ nach sich, auf die man im Rahmen der NATO-Agenda 2030 reagieren wolle. Ein „Klima-Aktionsplan“ solle dazu beitragen, eine „neue Epoche“ und ein langfristiges strategisches Konzept auszuarbeiten. Dadurch solle die NATO auf Klimakonflikte besser reagieren können. Dabei gehe es etwa um den geostrategischen „Wettbewerb um Ressourcen und Seewege“ in einer von der Eisschmelze erfassten Arktis oder um die Bekämpfung von „Terroristen und Migration nach Europa“ in der dürregeplagten Sahelzone. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach schon im September 2020 davon, der Klimawandel bedrohe „unsere Sicherheit“; die Militärallianz müsse den „Kampf“ dagegen stärker beachten. Es gelte den seit rund vier Jahrzehnten öffentlich diskutierten „Klimawandel besser zu verstehen“ und ihn in „Aspekte unserer Aufgaben einzubeziehen“ – von der militärischen Planung bis zur Ausbildung, erklärte Stoltenberg. Die NATO behauptet dabei, den Ressourcenkampf in der Klimakrise klimaneutral führen zu wollen.

Vom Leopard zum E-Opard

Ähnliches gilt für die Bundesrepublik. Mit den Grünen ist ohnehin eine Partei an der neuen Bundesregierung beteiligt, die sehr früh die außen- und militärpolitische Dimension der Klimakrise diskutiert hat. Schon 2008 hieß es in einem Papier der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, der Klimawandel werde zu „bisher nie dagewesenen Sicherheitsszenarien führen“, die Ressourcenkonflikte, Territorialverluste, Migration, Instabilität und die „Gefährdung des internationalen Systems“ mit sich brächten.[10] Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) wiederum veröffentlichte Mitte 2021 ein Arbeitspapier, in dem die grüne Transformation der Armee – so wörtlich – „vom Leopard zum E-Opard bewältigt werden solle.[11] Das Bundes-Klimaschutzgesetz habe zwar die Streitkräfte von der Zielsetzung, bis 2030 die Klimaneutralität zu erreichen, ausgeklammert; doch könne und wolle sich die Bundeswehr nicht darauf „ausruhen“. Es gelte, sich entsprechenden Bewegungen auf der „transatlantischen Ebene“ anzuschließen und dafür Sorge zu tragen, dass die Bundeswehr nicht aufgrund mangelnder Klimaziele „abgehängt“ werde. Eine „klimaneutral einsatzfähige Bundeswehr“ samt „militärspezifischer Mobilität“ sei folglich notwendig – „zu Lande, zu Wasser und in der Luft“. Die Zeit zur Transformation dränge, da die Forderung, die Bundeswehr-Emissionen von zur Zeit 1,45 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr zu senken, „unausweichlich kommen“ werde. In der Tat ist das Militär global ein bedeutender Produzent von CO2-Emissionen. Die US-Streitkräfte etwa sind der größte Einzelverbraucher von Energie weltweit; sie produzierten allein 2017 rund 59 Millionen Tonnen Treibhausgase.[12]

[nach oben]

Quellenangaben

[1] Climate change, defence and crisis management: from reflection to action. iss.europa.eu 11.12.2021.

[2] Climate change, defence and crisis management: from reflection to action. Event report. iss.europa.eu.

[3] EEAS: Climate Change and Defence Roadmap. Brussels, 9 November 2020.

[4] EEAS: Concept for an Integrated Approach on Climate Change and Security. Brussels, 5 October 2021.

[5] S. dazu Klimaschutz als profitabler Exportschlager und Deutschlands Klima-Außenpolitik.

[6] S. dazu Die Geopolitik des European Green Deal (I) und Die Geopolitik des European Green Deal (II).

[7] Mission Probable: the EU’s efforts Policy Brief to green security and defence. climate-diplomacy.org 25.08.2021.

[8] Defence ministers discussed artificial intelligence, killer robots, climate threat. euractiv.com 30.08.2019.

[9] Panzer mit Solarzellen. faz.net 13.06.2021.

[10] Sicherheitsrisiko Klimawandel. boell.de 13.03.2008.

[11] Vom Leopard zum E-Opard: Die Bundeswehr sollte bei der Klimaneutralität vorangehen. Arbeitspapier Sicherheitspolitik 5/2021. baks.bund.de.

[12] Neta C. Crawford: The Defense Department is worried about climate change – and also a huge carbon emitter. theconversation.com 12.06.2019.

Schlagworte: #Bundeswehr#Klimaanpassung / Resilienz

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