Neue Daten zu den globalen CO2-Emissionen des Militärs SGR
Am 10.11.2022 wurde von den britischen Scientists for Global Responsibility (SGR) anlässlich der COP27 ein mit neuer und umfassender Methodik erstelltes Arbeitspapier zur Abschätzung der globalen Emissionen des Militärs vorgestellt.
Autoren sind Dr. Stuart Parkinson (Executive Director SGR) und Linsey Cottrell (CEOBS).
Die neue Methodik besteht in dem Abgleich von vier Datengruppen:
1. Kopfzahl des aktiven Militärs, die für alle Hauptländer verfügbar ist
2. Stationäre Emissionen pro Kopf
3. Relation von „stationären“ zu „mobilen“ Emissionen (aufgrund unsicherer Datenlage)
4. Multiplikator für Lieferketten (Scope 3 für gesamten CO2-Fußabdruck)
Quelle: https://www.sgr.org.uk/publications/estimating-military-s-global-greenhouse-gas-emissions
Nachfolgend die deutsche Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung von Karl-Heinz Peil
Anmerkung zu den verwendeten Begriffen in der deutschen Übersetzung:
Bei den Emissionen werden die Begriffe Treibhausgase (THG – englisch: Greenhouse Gases – GHG) und CO2-Emissionen (englisch: carbon emissions) entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch synonym verwendet. Korrekt müsste man jedoch immer von CO2-Äquivalenten (CO2e) sprechen, da CO2 zwar den allergrößten Anteil hat, jedoch auch andere THG in die Berechnungen einfließen.
In der Übersetzung wird der englische Begriff Scope beibehalten, da auf deutsch nicht einheitlich die Bezeichnungen Anwendungsbereich1Bezeichnung im Nationalen Inventarbericht (NIR) oder Geltungsbereich2Siehe dazu: https://allianz-entwicklung-klima.de/toolbox/was-sind-scopes-geltungsbereiche-bei-der-berechnung-der-unternehmensbezogenen-treibhausgasemissionen/ benutzt werden.
Als grafische Darstellung für militärisch verursachte THG siehe dazu auch diese Grafik:
https://umwelt-militaer.org/bws-5/#51_Treibhausgase
Fußnoten wurden nicht in die Übersetzung übernommen. Siehe dazu die Original-PDF.
Nachtrag vom 25.11.2022: Die Berechnungsformel wurde korrigiert. Für Deutschland ergibt sich damit ein CO2-Fußabdruck des Militärs von ca. 10 Mio. t.
Siehe dazu auch die Kommentierung mit fachlichen Hinweisen.
Inhalt
- Zusammenfassung
- 1. Warum ist die Abschätzung der globalen Emissionen des Militärs wichtig?
- 2. Daten der nationalen THG-Emissionen und das Militär
- 3. Methodische Vorgehensweise
- 4. Abschätzungen der globalen militärischen THG-Emissionen
- 5. Weitere Analysen
- 6. Handlungsbedarf
- Anhang
Zusammenfassung
Aufgrund einer sehr lückenhaften Datenlage ist es schwierig, den weltweiten Gesamtausstoß von Treibhausgasen (THG) durch das Militär abzuschätzen. In dieser Studie beschreiben wir eine innovative neue Methode, um aktualisierte Schätzungen für globale und regionale militärische THG-Emissionen zu erstellen. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass der gesamte militärische CO2-Fußabdruck etwa 5,5 % der globalen Emissionen ausmacht.
Wären die Streitkräfte der Welt ein Land, würde diese Zahl bedeuten, dass sie den viertgrößten nationalen CO2-Fußabdruck der Welt haben – größer als der von Russland. Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit für Maßnahmen zur systematischen Erfassung militärischer Emissionen, als auch zur Verringerung des damit verbundenen CO2-Fußabdruckes, zumal diese Emissionen infolge des Ukraine-Krieges erheblich zunehmen werden.
1. Warum ist die Abschätzung der globalen Emissionen des Militärs wichtig?
Im Kampf gegen die globale Erwärmung müssen alle Wirtschaftssektoren einbezogen werden. Der globale Militärsektor – einschließlich seiner Lieferketten – ist ein wichtiger Teil der Staatsausgaben und auch ein großer Verbraucher fossiler Brennstoffe. Daher muss ein umfassendes Berichtswesen über die Treibhausgasemissionen des Militärs eingefordert werden, um auf dieser Basis Ziele zur Emissionsreduzierung festzulegen. Aktuell sind aber die Daten für militärische THG-Emissionen weltweit häufig von geringer Qualität – oft unvollständig, in zivilen Kategorien versteckt oder gar nicht erhoben. Grund dafür ist, dass deren Erfassung im Rahmen des Kyoto-Protokolls von 1997 ausgeklammert wurde.
Derzeit sind die Länder gemäß dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) verpflichtet, ein Verzeichnis ihrer Treibhausgasemissionen zu erstellen. Die Berichterstattungspflichten der Länder variieren je nach ihrem historischen Beitrag zur Klimakrise. In den Leitlinien des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) heißt es, dass die dem UNFCCC vorgelegten Verzeichnisse folgendes enthalten sollten: „Emissionen aus einigen militärischen Aktivitäten“.
Gemäß des Pariser Abkommen (Weltklimakonferenz 2015) ist die Berichterstattung über militärische Emissionen jedoch eingeführt, jedoch auf freiwilliger Basis. was bedeutet, dass die dem UNFCCC vorgelegten Daten erhebliche Lücken aufweisen. So wird beispielsweise im jüngsten (sechsten) Bewertungsbericht des IPCC dieser Sektor kaum behandelt. In dem Bemühen, das Ausmaß des Problems sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene zu verdeutlichen, verwenden wir in dieser Studie die verfügbaren Daten über militärische Treibhausgasemissionen einer kleinen Anzahl von Ländern, um globale Gesamtzahlen abzuschätzen. Wir hoffen, dass dies zu mehr Forschung und vor allem zu Maßnahmen zur THG-Reduzierung führt.
2. Daten der nationalen THG-Emissionen und das Militär
Rund 60 % aller weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus nur zehn Ländern. Dabei handelt es sich um China, die USA, Indien, Indonesien, Russland, Brasilien, Japan, Iran, Kanada und Saudi-Arabien. Alle diese Länder – außer Indonesien – gehören zu den 20 Ländern mit den höchsten Militärausgaben (siehe Tabelle in Anhang). Auch die nächsten 10 Länder mit den höchsten Treibhausgasemissionen gehören zu den Ländern mit hohen Militärausgaben und/oder einer großen Anzahl aktiver Militärangehöriger.
3. Methodische Vorgehensweise
Obwohl die Daten über militärische THG-Emissionen im Allgemeinen sehr begrenzt sind, wurden einige Daten für die USA, UK und einige EU-Länder zusammengestellt. Datenquelle sind nur teilweise die militärischen Institutionen direkt, während überwiegend von unabhängigen Wissenschaftlern basierend auf veröffentlichten Daten zum Energie-/Kraftstoffverbrauch militärischer Institutionen entsprechende Berechnungen erforderlich sind.
In der vorliegenden Studie werden diese Daten extrapoliert, um globale Schätzungen zu erhalten, was jedoch nur bedingt möglich ist, da es viele strukturelle Unterschiede zwischen den militärischen Institutionen von Staaten gibt und natürlich auch bei den gesamtwirtschaftlichen THG-Emissionen.
Als Basisdaten haben wir zunächst die Emissionen pro Währungseinheit – basierend auf den nationalen Militärausgaben – sowie die Pro-Kopf-Emissionen basierend auf der Anzahl des Personals im aktiven Dienst der nationalen Streitkräfte heran gezogen. Aufgrund erheblicher Schwankungen bei den Finanzdaten (z. B. Wechselkurse, Inflationsraten und BIP-Wachstumsraten) und der begrenzten Datenverfügbarkeit in bestimmten Schlüsselnationen (z. B. China, Saudi-Arabien, Nordkorea und Vietnam) wurde die währungsbasierte Option zugunsten des Personalansatzes verworfen.
Bei der Personalmethode werden die folgenden vier Datengruppen als Schlüssel verwendet:
-
Operative THG-Emissionen (Scope 1 und 2) pro Kopf des aktiven Personals von Militärbasen, auch bekannt als „stationäre Emissionen“ (Faktor es);
-
Anzahl des aktiven Militärpersonals (Faktor p);
-
Verhältnis der operativen THG-Emissionen zwischen mobilen militärischen Aktivitäten (Einsatz von Flugzeugen, Schiffen, Landfahrzeugen und Raumfahrzeugen) und stationären Aktivitäten (Faktor rms);
-
Multiplikator der Versorgungskette, das Verhältnis des „CO2-Fußabdrucks“ (die Summe der Scope 1, 2 und der vorgelagerten Komponente der Scope 3-Emissionen) zur Summe der Scope 1 und 2-Emissionen (Faktor s).
Der berechnete militärische CO2-Fußabdruck für eine Nation oder Region erfolgt durch Multiplikation der Einzelfaktoren wie folgt:
Fn = es * p (1+ rms ) * s
Der globale militärische CO2-Fußabdruck ergibt sich durch Summierung aller nationalen oder regionalen Werte.
3.1 Datengruppe 1 – Stationäre Emissionen pro Kopf
Stationäre Emissionen pro Kopf des Personals (Faktor es) Zuverlässige jährliche Daten für stationäre militärische Emissionen wurden für UK, die USA und Deutschland vorgefunden. Diese wurden durch die Anzahl der aktiven Militärangehörigen in diesen Ländern geteilt, um Zahlen für stationäre Emissionen pro Kopf zu erhalten – siehe Tabelle 1.
Tabelle 1: Stationäre THG-Emissionen pro Kopf Militärpersonal für drei Nationen
Nation |
mittlere THG-Emissionen in t CO2e pro Kopf Militärpersonal |
Anmerkungen |
United Kingdom (UK) |
5.0 |
Mittelwert 2017 – 20191 |
Deutschland |
5.1 |
Mittelwert 2018 – 20192 |
USA |
12.9 |
Wert für 20183 |
1 Ministry of Defence (2021). https://www.gov.uk/government/publications/ministry-of-defence-annual-report-and-accounts-2019-to-2020
2 SGR/CEOBS (2021). https://www.sgr.org.uk/publications/under-radar-carbon-footprint-europe-s-military-sectors
3 Crawford N (2019). https://watson.brown.edu/costsofwar/papers/ClimateChangeandCostofWar
Die Daten für UK waren für die letzten 10 Jahre verfügbar. Sie zeigen, dass der Pro-Kopf-Energieverbrauch über den gesamten Zeitraum sehr konstant war, wobei der Rückgang der Treibhausgasemissionen pro Kopf fast ausschließlich auf eine verbesserte CO2-Bilanz der nationalen Stromversorgung zurückzuführen ist. Da diese über den zurück liegenden Zeitraum deutlich zurückgegangen ist, haben wir nur die Daten der letzten Jahre als Grundlage für unsere Zahlen in Tabelle 1 verwendet. Vergleicht man die Daten zwischen den Ländern, zeigen UK und Deutschland ähnliche Emissionswerte pro Einheit, während der Wert für die USA deutlich höher ist.
Für die Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es eine Vielzahl möglicher Ursachen. Zum Beispiel führt die höhere Bevölkerungsdichte in den europäischen Ländern zu kleineren Wohn- und Arbeitsräumen, was den Energieverbrauch pro Kopf deutlich reduziert. Die Intensität der THG-Emissionen (CO2-Emissionsfaktor) bei der Stromerzeugung ist ebenfalls ein wichtiger Faktor – in UK ist sie deutlich niedriger als in Deutschland und den USA.
Die USA haben auch einen großen Teil ihrer Militärbasen im Ausland, was dazu führen dürfte, dass weniger strenge Energieeffizienz- und Umweltstandards angewandt werden. Auch die Intensität der militärischen Aktivitäten dürfte ein Faktor sein – in den USA ist sie tendenziell höher als in UK, das seinerseits höhere Werte als Deutschland aufweist. Der Grad der industriellen Entwicklung eines Landes und klimatische Bedingungen an den Standorten der Militärbasen sind ebenfalls von Bedeutung.
Diese Zahlen beziehen sich zwar nur auf drei Länder, doch stehen sie zusammen für 45 % der weltweiten Militärausgaben, 14 % der weltweiten THG-Emissionen und 9 % des gesamten aktiven Militärpersonals. Daher halten wir sie für eine plausible Bezugsbasis. Bei der Übertragung dieser Zahlen auf andere Länder gehen wir davon aus, dass die US-Zahlen typisch für ein Militär mit einem emissionsintensiven stationären Sektor sind und die britischen und deutschen Zahlen typisch für ein Militär am unteren Ende der Skala.
Tabelle 2 zeigt unsere globale Hochrechnung auf Basis dieser Richtwerte. Dabei unterstellen wir, dass die USA typisch für Nordamerika sowie UK und Deutschland typisch für Europa sind.
Tabelle 2: Stationäre THG-Emissionen nach Kopfzahl des Militärs nach Weltregionen
Region | Führende Nationen nach Kopfzahl Militärs (nach Gesamtzahl Militärs) |
Stationäre THG Emissionen pro Kopf (t CO2e) gerundet auf 0,5 |
North America | USA, Canada |
13 |
Russia and Eurasia | Russia, Ukraine |
13 |
Asia and Oceania | China, India, North Korea, Pakistan, South Korea, Vietnam, Myanmar, Indonesia, Thailand, Sri Lanka, Japan, Australia |
9 |
Middle East and North Africa | Iran, Egypt, Saudi Arabia |
9 |
Europe | Turkiye, France, Germany, Italy, UK |
5 |
Latin America | Brazil, Columbia, Mexico |
5 |
Sub-Saharan Africa | Eritrea, Nigeria, South Africa |
2.5 |
Russland und Eurasien halten wir für vergleichbar mit Nordamerika, da ihre Volkswirtschaften tendenziell industrialisiert und CO2-intensiv sind und ein großer Teil der Militärbasen in Gebieten mit extremen Klimabedingungen liegt.
Für die Region Asien und Ozeanien schätzen wir, dass diese Einheitsemissionen halbwegs zwischen den nordamerikanischen und europäischen Zahlen liegen. Dies ist plausibel, da die wichtigsten Militärstaaten in dieser Region entweder einen mittleren bis hohen wirtschaftlichen Entwicklungsstand, eine CO2-intensive Ökonomie oder beides haben. Angesichts des weltweiten Netzes von US-Militärbasen, darunter viele in extremen Klimazonen, halten wir es für unwahrscheinlich, dass sie so hoch sind wie in den USA. Eine ähnliche Argumentation verfolgen wir für den Nahen Osten und Nordafrika, obwohl die wichtigsten Militärstaaten in dieser Region tendenziell einen niedrigeren wirtschaftlichen Entwicklungsstand aufweisen, aber eine CO2-intensive Ökonomie haben. Wir betrachten Lateinamerika als weitgehend vergleichbar mit Europa. Für die afrikanischen Länder südlich der Sahara gehen wir davon aus, dass ihr niedriger wirtschaftlicher Entwicklungsstand auf niedrige Einheitsemissionen hindeutet, so dass wir davon ausgehen, dass diese die Hälfte des europäischen Niveaus betragen.
3.2 Datengruppe 2 – Anzahl des militärischen Personals (Faktor p)
Die geschätzte Verteilung des militärischen Personals auf die wichtigsten geopolitischen Regionen der Welt ist in Tabelle 3 dargestellt. Diese Daten werden jährlich vom Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) aus nationalen Daten zusammengestellt.
Tabelle 3: Militärangehörige nach geografischen Regionen, 2019
Region |
Militärangehörige |
prozentualer Anteil |
Asia and Oceania |
9,326,000 |
47% |
Middle East and North Africa |
2,533,000 |
13% |
Europe |
1,962,000 |
10% |
Sub-Saharan Africa |
1,594,000 |
8% |
Latin America |
1,523,000 |
8% |
North America |
1,447,200 |
7% |
Russia and Eurasia |
1,435,000 |
7% |
Summe |
19,8 Mio. |
3.3 Datengruppe 3 – Relation mobiler zu stationärer Emissionen (Faktor rms)
Betriebliche Treibhausgasemissionen aus mobilen militärischen Aktivitäten hängen von einer Reihe von Faktoren ab, vor allem von der Anzahl, der Spezifikation (insbesondere Kraftstoffeffizienz und Reichweite), dem Alter und der Häufigkeit des Einsatzes von Militärfahrzeugen. Diese Faktoren werden auch durch die „Dimension“, in der die Militärfahrzeuge operieren – Land, See, Luft oder Weltraum – und die Streitkräftestrukturen eines bestimmten Militärs beeinflusst. Aufgrund dieser komplexen Zusammenhänge ist es schwierig, von Daten, z. B. über die Anzahl der Fahrzeuge einer bestimmten Waffengattung, auf Gesamtwerte für mobile THG-Emissionen zu schließen. Aus den verfügbaren Daten geht eindeutig hervor, dass Militärs mit einer großen Luftwaffe oder einer Hochseemarine tendenziell höhere Treibhausgasemissionen haben, aber darüber hinausgehende Extrapolationen sind schwierig. Ein auffälliges Muster ist, dass die Höhe der stationären Emissionen ein hilfreicher Ausgangspunkt für die Schätzung der mobilen Emissionen sein kann, weshalb wir sie hier verwenden.
Tabelle 4 enthält einige Daten über das Verhältnis von mobilen zu stationären Emissionen für Deutschland, EU, USA und UK. Diese Zahlen wurden anhand von Daten militärischer Dienststellen berechnet. Das niedrigere Verhältnis für Deutschland ist auf die kleinere Luftwaffe und Marine im Verhältnis zu den landgestützten Aktivitäten und die geringeren militärischen Auslandseinsätze zurückzuführen. UK liegt am oberen Ende, da seine Luftwaffe und Marine viel größer sind und es ein hohes Maß an ausländischen Militäroperationen gibt, vor allem im Vergleich zu der relativ geringen Zahl seiner aktiven Soldaten. Die EU liegt im Durchschnitt am unteren Ende der Skala, während die USA am oberen Ende der Skala liegen, jedoch aufgrund der hohen stationären Emissionen pro Kopf nicht so hoch wie in UK.
Tabelle 4: Verhältnis von mobilen zu stationären Emissionen nach Ländern/Regionen
Nation |
Relation Jahr 1 |
Relation Jahr 2 |
mittlere Relation |
Anmerkungen |
Deutschland |
0.7 |
0.8 |
0.7 |
2018 und 20193 |
EU |
1.1 |
na |
1.1 |
Jahr 1 ist 20171 |
USA |
1.6 |
2.1 |
1.9 |
2017 and 20182 |
UK |
2.4 |
2.8 |
2.6 |
|
1 Datenbasis: EDA (2019)
2 Datenbasis: Crawford (2019). Op.cit.
3 Datenbasis Deutschland: SGR/ CEOBS (2021) Op.cit. UK data from: MOD (2021). Op.cit.
3.4 Datengruppe 4 – Lieferketten des Militärs (Faktor s)
Diese Daten erfassen die THG-Emissionen für die damit verbundenen, sehr umfangreichen und komplexen Versorgungsketten. Damit kann der gesamte Lebenszyklus von Rüstungsgütern und militärischen Aktivitäten als CO2-Fußabdruck abgeschätzt werden. Diese übersteigen in der Regel bei weitem die eigenen betrieblichen Emissionen (Scope 1 und 2). Obwohl die Datenlage hierbei sehr spärlich ist, gibt es doch brauchbare Einzeldaten z.B. von Thales oder Fincantieri.
In einer Analyse der Versorgungsketten für die Militärausgaben in UK im Jahr 2020 wurde das Verhältnis zwischen dem CO2-Fußabdruck und den gesamten betrieblichen Emissionen auf 3,6 geschätzt, wobei Daten aus einem ökonomischen Input-Output-Modell verwendet wurden. Eine weitere Untersuchung ergab jedoch, dass diese Schätzung des CO2-Fußabdrucks nur auf 62 % der betrieblichen Emissionen basierte, da die militärischen Emissionen im nationalen (THG-)Inventarregister nicht ausreichend erfasst wurden. Die Korrektur dieses Fehlers bedeutet, dass dieses Verhältnis neu auf 5,8 geschätzt wird.
Eine weitere Möglichkeit zur Schätzung dieses Verhältnisses ist die Verwendung von Unternehmenszahlen über die THG-Emissionen der weltweiten Lieferketten. Diese Statistiken werden in regelmäßigen Erhebungen des Carbon Disclosure Project (CDP) gesammelt, und einige typische Zahlen für Sektoren, die Gemeinsamkeiten mit dem Militär aufweisen, sind in Tabelle 5 aufgeführt.
Tabelle 5: Verhältnis des CO2-Fußabdruckes zu operativen Tätigkeiten in anderen globalen Wirtschaftszweigen
Sektor |
Faktor CO2 zu operativen Tätigkeiten |
gesamthaft |
12.4 |
Industrie |
8.7 |
Infrastruktur |
5.0 |
Transportwesen |
2.5 |
Militär (hier ermittelter Wert) |
5.8 |
Quelle und Anmerkungen: Transparency to transformation: a chain reaction. CDP Global Supply Chain Report 2020. https://www.cdp.net/en/research/global-reports/transparency-to-transformation
NB The figures in the CDP report are given in terms of the ratio of scope 3 (upstream) to scopes 1 and 2, and hence have been recalculated for Table 5
4. Abschätzungen der globalen militärischen THG-Emissionen
Unter Verwendung der vorangegangenen vier Datengruppen, die mit unserer Formel kombiniert wurden, lassen sich die operativen THG-Emissionen (Scope 1 und 2) des Militärsektors und der militärische CO2-Fußabdruck näherungsweise berechnen.
Tabelle 6 enthält obere und untere Schätzungen für diese beiden Arten von militärischen Emissionen für jede der sieben geopolitischen Regionen und die Welt insgesamt. Die obere Schätzung geht von einem Verhältnis zwischen mobilen und stationären Emissionen von 2,6 aus (für das Vereinigte Königreich), die untere Schätzung von 0,7 (für Deutschland). Wir sind der Ansicht, dass diese Bandbreite die wahrscheinliche Unsicherheit bei den vier Variablen, die zur Berechnung der militärischen Emissionen verwendet werden, abdeckt.
Die obere Schätzung basiert also auf einer Situation, in der ein bestimmtes Militär den Schwerpunkt auf die Entwicklung und den Einsatz energieintensiver Waffensysteme legt, möglicherweise auf Kosten der Truppenstärke.
Die untere Schätzung geht von Szenarien aus, in denen sich ein Militär mehr auf die Personalstärke konzentriert oder relativ wenig Langstreckeneinsätze oder Einsätze in Konfliktgebieten hat.
Die globale Bandbreite für operative militärische Treibhausgasemissionen liegt zwischen 300 und 600 Mio. Tonnen (Mt) CO2e, was zwischen 0,6 % und 1,2 % der gesamten globalen THG-Emissionen ausmacht.
Die Schätzung für den globalen militärischen CO2-Fußabdruck liegt zwischen 1.600 und 3.500 Mt CO2e, was zwischen 3,3 % und 7,0 % der gesamten globalen Treibhausgasemissionen entspricht. Diese große Bandbreite verweist auf die unsichere Datenlage.
Tabelle 6: Gesamter CO2-Fußabdruck des Militärs nach geografischen Regionen der Welt
Region |
Operative THG-Emissionen |
CO2-Fußabdruck |
||
Abschätzung max. Mt CO2e |
Abschätzung min. Mt CO2e |
Abschätzung max. Mt CO2e |
Abschätzung min Mt CO2e |
|
Asia and Oceania |
305 |
144 |
1,766 |
833 |
Middle East and North Africa |
83 |
39 |
480 |
226 |
North America |
68 |
32 |
396 |
187 |
Russia and Eurasia |
68 |
32 |
392 |
185 |
Europe |
36 |
17 |
206 |
97 |
Latin America |
28 |
13 |
160 |
76 |
Sub-Saharan Africa |
15 |
7 |
84 |
40 |
Gesamtsumme |
602 |
284 |
3,484 |
1,644 |
% von gesamten THG-Emissionen1 |
1.2% |
0.6% |
7.0% |
3.3% |
Upper estimates use a mobile to stationary ratio of 2.6 (from dataset 3) Lower estimates use a mobile to stationary ratio of 0.7 (from dataset 3) Carbon footprint uses a supply chain multiplier of 5.8 (from dataset 4) |
1 Our World in Data (2022b). Op.cit.
5. Weitere Analysen
Kurze Vergleiche unserer Schätzungen für die globalen militärischen THG-Emissionen mit anderen Sektoren, mit Daten auf nationaler Ebene und mit den offiziell an das UNFCCC gemeldeten militärischen Daten sind für Verständnis und Plausibilisierung zwckmäßig. Daher betrachten wir an dieser Stelle mehrere Beispiele.
Obwohl die Vertragsstaaten des Pariser Abkommens verpflichtet sind, sukzessive national festgelegte Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) für das UNFCCC zu erstellen, zu übermitteln und aufrechtzuerhalten und die zu ergreifenden Maßnahmen zur Reduzierung ihrer THG-Emissionen in den wichtigsten Kategorien darzulegen, ist die Berichterstattung nicht einfach oder vollständig.
Da die Anforderungen an die Berichterstattung über THG-Emissionen sich für Länder aufgrund ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklungsstufe unterscheiden, liefert das UNFCCC keine zuverlässige Schätzung der weltweiten Gesamtemissionen in einem bestimmten Jahr, was Vergleiche erschwert.
Die THG-Emissionen, die dem UNFCCC gemeldet werden, fallen in fünf Hauptkategorien:
- Energie
- industrielle Prozesse und Produktnutzung
- Landwirtschaft
- Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft
- Abfallwirtschaft.
Aufgrund einer gewissen Unsicherheit und mangelnder Transparenz ist der Vergleich der Emissionen zwischen den Sektoren und Ländern nur begrenzt möglich. Dennoch wurde von Climate Watch eine Aufschlüsselung der weltweiten Emissionen nach Sektoren für 2016 erstellt. Diese Zahlen können mit unseren Daten zu den betrieblichen Emissionen des Militärs verglichen werden, d. h. 1,0 %. Zu den Sektoren, die eine ähnliche Größenordnung aufweisen, gehören:
- Luftfahrt (1,9 %)
- Schifffahrt (1,7 %)
- Lebensmittel- und Tabakindustrie (1,0 %).
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass beispielsweise einige der militärischen Emissionen derzeit den Sektoren Luft- und Schifffahrt zugeordnet sind, was bedeutet, dass diese Sektoren, wenn man die Klassifizierung der zivilen Luftfahrt und der zivilen Schifffahrt zugrunde legt, von der Größe her näher am Militär liegen würden. Was den Vergleich unserer Schätzung des militärischen CO2-Fußabdrucks – 2.750 Mt CO2e oder 5,5 % des weltweiten Gesamtausstoßes – mit anderen Wirtschaftssektoren angeht, so ist dies schwieriger zu bewerkstelligen.
Ein alternativer Ansatz besteht darin, einen Abgleich mit anderen Statistiken vorzunehmen. Im Jahr 2019 stießen beispielsweise alle Pkw der Welt während ihrer Nutzung zusammen etwa 3.200 Mt CO2 aus – unsere Zahl für den militärischen Fußabdruck entspricht also etwa 85 % davon. Ein weiterer Vergleich kann mit Daten auf Länderebene durchgeführt werden. Anhand von Statistiken über nationale CO2-Fußabdrücke aus dem Globalen THG-Budget sehen wir, dass die Streitkräfte der Welt, wären sie ein Land, den viertgrößten Fußabdruck der Welt hätten, einen größeren als ganz Russland. Nur die Nationen China, USA und Indien hätten einen größeren CO2-Fußabdruck.
Schließlich ist es wichtig, unsere Schätzungen mit den Daten zu vergleichen, die dem UNFCCC offiziell unter militärischen Kategorien gemeldet werden. Diese Daten wurden zusammengestellt und in zugänglicher Form auf der Website The Military Emissions Gap präsentiert. Das nationale Berichtswesen ist jedoch im Allgemeinen von geringer Qualität – mit zahlreichen Datenlücken und teilweise mit zivilen Emissionsquellen vermischt – dass es sehr schwierig ist, irgendwelche nützlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Standards für das Berichtswesen müssen dringend verbessert werden.
6. Handlungsbedarf
Die hier vorgestellte neue Methodik hat zu aktualisierten Schätzungen für die THG-Emissionen des Militärsektors geführt – etwa 500 Mt CO2e pro Jahr oder 1,0 % der globalen THG-Emissionen – und für den globalen militärischen CO2-Fußabdruck – 2.750 Mt CO2e oder 5,5 %. Wäre der globale Militärsektor eine Nation, so hätte er den viertgrößten CO2-Fußabdruck der Welt – größer als ganz Russland. Dabei ist zu bedenken, dass unsere Schätzungen konservativ sind – sie berücksichtigen nicht die THG-Emissionen, die durch die Auswirkungen der Kriegsführung entstehen. Diese Zahlen zeigen deutlich, wie groß der Beitrag des Militärsektors zu den gesamten globalen THG-Emissionen ist.
Die Methodik basiert auf begrenzten Daten und zeigt, dass alle Streitkräfte dringend verpflichtet werden müssen, ihre Emissionen unter Verwendung einheitlicher, eindeutiger, transparenter und robuster Datenerhebungsmethoden zu melden und Maßnahmen zu deren Reduzierung zu ergreifen. Sie zeigt auch, dass Klimawissenschaftler und Politikanalysten detailliertere Untersuchungen durchführen müssen, um das Ausmaß der militärischen Emissionen auf nationaler und internationaler Ebene zu verstehen und die Bemühungen zu ihrer Reduzierung zu überprüfen.
Dabei sollten sowohl die Emissionen aus der Kriegsführung selbst als auch die großen und komplexen Lieferketten des Militärs berücksichtigt werden. Der kürzlich von SGR veröffentlichte „Framework for military GHG emission reporting“ (hier in deutscher Übersetzung) wäre hierfür eine zweckmäßige Basis. Da für die überwiegende Mehrheit der nationalen militärischen THG-Emissionen keine belastbaren Daten vorliegen, wäre die Verwendung der militärischen Kopfzahlen und der anderen in dieser Studie abgeleiteten Faktoren zweckmäßig, um diese Datenlücken zu schließen. Selbst dort, wo militärische THG-Emissionen gemeldet werden – entweder im Land selbst oder im Rahmen der freiwilligen Berichterstattungspflicht des UNFCCC – könnte die hier angewandte Methodik für grobe Schätzungen verwendet werden, um die Vollständigkeit und Relevanz dieser öffentlich verfügbaren Daten zu überprüfen. Eine solche Analyse wird Gegenstand eines künftigen Forschungspapiers sein.
Die externe Prüfung sollte dazu beitragen, dass die Regierungen Maßnahmen zur Verringerung der THG-Emissionen ihres Militärsektors ergreifen. Im Jahr 2021 wurde ein gemeinsamer Aufruf von 225 Organisationen unterstützt, der eine Liste von 31 Verpflichtungen enthielt, die die Regierungen eingehen müssen, um die THG-Emissionen ihres Militärsektors zu reduzieren. Angesichts der anhaltenden Eskalation der Militärausgaben – insbesondere nach dem Krieg in der Ukraine – sind Verpflichtungen der Regierungen zur Bekämpfung dieses weitgehend ignorierten Beitrags zu den globalen THG-Emissionen dringend erforderlich.
Anhang
Tabelle A1a – Top 20 Länder mit den größten Rüstungsausgaben, 2019
State |
Military expenditure |
Number of active military personnel/ world rankingii |
GHG emissions: national share of global total/ world rankingiii |
United States |
800.7 |
1,379,800 (3rd) |
12% (2nd) |
China |
[293.4] |
2,035,000 (1st) |
24% (1st) |
India |
76.6 |
1,442,900 (2nd) |
6.8% (3rd) |
United Kingdom |
68.4 |
148,450 |
0.9% |
Russia |
65.9 |
900,000 (5th) |
3.9% (5th) |
France |
56.6 |
203,750 |
0.7% |
Germany |
56.0 |
181,400 |
1.4% (11th) |
Saudi Arabia |
[55.6] |
227,000 (20th) |
1.5% (10th) |
Japan |
54.1 |
247,150 (18th) |
2.3% (7th) |
Korea, South |
50.2 |
599,000 (8th) |
1.3% (14th) |
Italy |
32.0 |
165,500 |
0.8% |
Australia |
31.8 |
57,200 |
1.2% (15th) |
Canada |
26.4 |
67,400 |
1.6% (9th) |
Iran |
24.6 |
610,000 (7th) |
1.8% (8th) |
Israel |
24.3 |
170,000 |
0.2% |
Spain |
19.5 |
120,350 |
0.6% |
Brazil |
19.2 |
367,000 (13th) |
2.9% (6th) |
Turkiye |
15.5 |
355,200 (15th) |
0.9% (17th) |
Netherlands |
13.8 |
35,400 |
0.3% |
Poland |
13.7 |
123,700 |
0.6% |
i Figures in square brackets are conservative estimates based on incomplete data. Data for 2019 from: SIPRI (2021). https://milex.sipri.org/sipri
ii Top 20 rankings only. Data for 2019 from: IISS (2020). Op.cit.
iii Top 20 rankings only. Climate Watch (2022). Op.cit.
Tabelle A1b – Andere Länder mit großer Anzahl an Militärpersonal, 2019
State |
Military expenditure (US$ billions) |
Number of active military personnel (world ranking) |
GHG emissions: national share of global total (world ranking) |
Korea, North |
No data |
1,280,800 (4th) |
0.2% |
Pakistan |
11.3 |
653,800 (6th) |
0.9% (18th) |
Vietnam |
No data |
482,000 (9th) |
0.9% (19th) |
Egypt |
5.2 |
439,000 (10th) |
0.7% |
Myanmar |
2.1 |
406,000 (11th) |
0.5% |
Indonesia |
8.3 |
395,500 (12th) |
3.9% (4th) |
Thailand |
6.6 |
360,850 (14th) |
0.9% (20th) |
Columbia |
10.2 |
293,200 (16th) |
0.5% |
Sri Lanka |
1.6 |
255,000 (17th) |
0.1% |
Mexico |
8.7 |
236,250 (19th) |
1.3% (13th) |
Ukraine |
[5.9] |
209,000 |
0.4% |