US-Militärbasen weltweit – vor allem im Pazifik KP
von Karl-Heinz Peil
Der Beitrag erschien in: Pazifik-Rundbrief Ausgabe Juni 2022
Inhalt
Historische Wurzeln der US-Militärpräsenz im Pazifik
Bereits seit dem letzten Jahrzehnt wird China in den USA als neuer strategischer Rivale angesehen. Dieses führt seitdem zu einer massiven Aufrüstung der US-Militärpräsenz im Pazifik. Dabei können sich die USA auf eine langjährige Präsenz in dieser Weltregion stützen, die zurück reicht in die Zeit ihrer ersten imperialen Ausdehnung Ende des 19. Jahrhunderts.
Eine besonders intensive Untersuchung der weltweiten US-Militärpräsenz erfolgte von dem US-Wissenschaftler David Vine. In seinem ersten Buch „Island of Shame“ behandelt er das „Strategic Island Concept“ des US-Militärs. Dieses beruht im Prinzip auf einige (schmutzige) Deals von US-Regierungen mit dem vormals britischen Imperium, die bis auf das Jahr 1940 zurück gehen. Damals gab es von US-Präsident Roosevelt einen Deal, der die Lieferung von dringend benötigten Kriegsschiffen im Krieg gegen Deutschland gegen die Überlassung von Inseln des britischen Imperiums vorsah. Damit erfolgte der erste strategische Schritt der USA zur weltweiten Präsenz mit Militärbasen, was nach dem zweiten Weltkrieg kontinuierlich ausgebaut wurde. In seinem zweiten Buch „Base Nation“ aus dem Jahr 2015 gibt David Vine einen Gesamtüberblick über die Anzahl größerer und kleinerer US-Militärstützpunkte, die er dort mit 800 bezifferte. Auf diese Zahl beziehen sich zahlreiche Publikationen der letzten Jahre. Die methodisch korrekte Ermittlung einer Gesamtzahl ist zwar aus verschiedenen Gründen als problematisch anzusehen, jedoch ist unstrittig, dass mehr als 90% aller fremden Militärbasen von den USA gestellt werden. Wenn man die Übersee-Militärbasen von Großbritannien und Frankreich hinzunimmt, gibt es einen Anteil der NATO-Staaten an weltweiten, fremden Militärbasen von mindestens 95%.
Militärbasen als (neo-)kolonialer Zustand
Nicht in dieser Gesamtzahl der Übersee-Militärbasen enthalten ist Hawaii. Wegen dessen strategischer Bedeutung wurde Hawaii bereits 1898 während des Spanisch-Amerikanischen Krieges per Beschluss des US-Kongresses annektiert und nach dem ersten Weltkrieg zum wichtigsten Flottenstützpunkt der USA im Pazifik. Im zweiten Weltkrieg wurden nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor etwa 500.000 US-Soldaten dort stationiert, in etwa entsprechend der damaligen Einwohnerzahl. Nach dem Krieg gab es deshalb massiven Widerstand der Urbevölkerung gegen die US-Präsenz, der bis heute noch anhält. Dem wurde jedoch 1959 die Speerspitze genommen, indem – nach einem vorausgegangenen Volksentscheid mit mehrheitlicher Zustimmung – die Aufnahme von Hawaii als 50. Bundesstaat der USA erfolgte. Damit hat Hawaii ein Privileg, das z.B. Puerto Rico in der Karibik mit vergleichbarer US-Militärpräsenz nicht vergönnt ist.
Statistisch gesehen gehört Hawaii damit jedenfalls nicht zu den Überseeregionen der USA im Pazifik mit starker Militärpräsenz. Diese sind vor allem Guam und darüber hinaus u.a. die Nördlichen Marianneninseln und die Marshall-Inseln.
Die größte Militärpräsenz der USA außerhalb ihres Territoriums ist in Japan vorhanden. Davon wiederum sind mehr als die Hälfte der ca. 43.000 Militärangehörigen auf Okinawas stationiert.
Umweltbelastungen im Pazifik immer global
Neben der aktuellen Militärpräsenz der USA und den geopolitischen Implikationen spielen die vorhandenen Umweltbelastungen eine wesentliche Rolle. Im Unterschied zu Militärstandorten in anderen Teilen der Welt, wo die Verseuchung von Boden und Grundwasser, sowie Luftschadstoffe und Lärm durch den Flugbetrieb als lokale Immissionen relevant sind, haben in der Pazifikregion alle Umweltbelastungen eine globale Dimension.
Dass durch die 2011 in Fukushima erfolgte zivile Nuklearkatastrophe eine kontinuierliche Verseuchung des Pazifiks verursacht wird, die auch die Westküste Amerikas betrifft, ist noch am ehesten in der öffentlichen Wahrnehmung. Dieses gilt hingegen nicht für den Atommüll, der durch die langjährigen Atomwaffenversuche der USA im Pazifik existiert. So lagern in einem Bunker auf den Marshall-Inseln allein 85.000 m³ nuklearer Abfall mit Plutonim-239, dessen Halbwertszeit 24.000 Jahre beträgt. Was seinerzeit als Provisorium vorgesehen war, ist mittlerweile durch Leckagen im Betondeckel dramatisch. Zusätzlich durch den Klimawandel mit Wirbelstürmen und dem Anstieg des Meeresspiegels ist die Katastrophe des vermeintlichen Nuklearsarges damit fest vorprogrammiert. Die US-Regierung fühlt sich jedoch nicht mehr zuständig. Das gilt umso mehr für Umweltverseuchungen in kleineren Dosierungen, aber in gewaltiger Anzahl.
Der in Okinawa lebende britische Journalist Jon Mitchell hat dieses in zahlreichen Einzelbeiträgen und gebündelt in seinem 2020 erschienen Buch „Poisoning the Pacific – The US Military’s Secret Dumping of Plutonium, Chemical Weapons, and Agent Orange“ dokumentiert. Darin wird von ihm aufgelistet, in welchem Ausmaß über Jahrzehnte der Pazifik vom US-Militär verseucht wurde. Dieses beginnt mit Altlasten aus dem zweiten Weltkrieg, über die chemischen Kampfstoffe aus dem Vietnamkrieg bis hin zu perfluorierten Chemikalien (PFAS) aus biologisch nicht abbaubaren Löschschäumen.
Lokal betroffen ist davon vor allem Okinawa. Die gesamte Dimension der hier verursachten Umweltbelastungen zeigt auf, wie die Weltmacht USA auch der lokalen Bevölkerung und den indigenen Völkern in der Pazifikregion Schaden zufügt.
Okinawa: „Kein Korn Sand für den Krieg“
Obwohl Okinawa nach der kriegsbedingten Okkupation durch die USA 1945 seit 1972 wieder zu Japan gehört, gebärden sich die USA dort mit ihrer umfassenden Präsenz immer noch wie Kolonialherren bzw. als Besatzungsmacht, was in der jüngsten Vergangenheit auch zu Massenprotesten geführt hat. Unter den insgesamt ca. 45.000 auf Okinawa lebenden US-Bürgern (inkl. Familienangehörigen und Zivilisten), ist eine hohe Kriminalitätsrate zu verzeichnen ist. Durch das für Okinawa geltende Truppenstationierungsabkommen werden aber Gewaltakte des US-Militärs außerhalb militärischer Zonen nie bestraft. Statistisch erfasst ist, dass von 2072 bis 2015 fast 6000 einzelne kriminelle Handlungen durch US-Militär erfolgten, darunter auch zahlreiche Gewaltverbrechen wie Vergewaltigungen.
Darüber hinaus konzentriert sich der Widerstand gegen die US-Präsenz in den letzten Jahren sehr stark gegen die neu errichtete Militärbasis Henoko. Um den o.g. Problemen aus dem Weg zu gehen, ist derzeit die Verlagerung eines zentral gelegenen Militärstandortes in einen dünner besiedelten Teil der Insel im Bau. Die neue Militärbasis im Umfeld des Küstendorfes Henoko zerstört vorhandene Korallenriffe und bedroht tausende, auch vom Aussterben bedrohte Tierarten. Die Start- und Landebahn wird Offshore gebaut, wozu über 35 Millionen Tonnen Erde und Sand ins Meer geschüttet werden. Die auch international kommunizierte Protestaktionen laufen unter dem Motto: „Kein Korn Sand für den Krieg“.
Widerstand gegen fremde Militärpräsenz weltweit
Der Widerstand gegen die US-Militärpräsenz auf Okinawa wurde auch bei dem in Deutschland vorhandenen Protest gegen die US-Militärpräsenz aufgegriffen. Dreh- und Angelpunkt ist hierbei die US Air Base Ramstein, die insbesondere durch deren Rolle im weltweiten US-Drohnenkrieg in den Fokus der Friedensbewegung gerückt ist. Hinzu kommt in den letzten Jahren – und aktuell noch wesentlich verstärkt durch den Ukrainekrieg – die Rolle Ramsteins als logistische Drehscheibe für Waffenlieferungen und Einsätze in Osteuropa, den mittleren Osten und Afrika. Die US Air Base Ramstein gilt hierbei als die weltweit bedeutsamste, wozu auch die gesamte, in der Großregion Kaiserslautern konzentrierte militärische Infrastruktur des US-Militärs beiträgt.
Die Kampagne „Stopp Air Base Ramstein“ führte im Rahmen ihrer jährlichen Aktionswochen bereits mehrfach internationale Konferenzen gegen fremde Militärbasen durch, bei der sich auch Aktivist*Innen aus Japan und Südkorea beteiligten. Die Forderung nach Kündigung von Truppenstationierungsabkommen mit den USA und die Schließung aller fremden Militärbasen ist hierbei die gemeinsame Forderung.
Im Windschatten der verstärkten US-Präsenz im Pazifik versucht nun auch Deutschland sich mit einer Marinepräsenz im Pazifik als militärische Weltmacht zu profilieren, was sich als weitere Herausforderung für die Friedensbewegung darstellt.