Klimakrise zwischen Militarisierung und Frieden
Podiumsbeitrag für eine Online-Veranstaltung von NatWiss von Karl-Heinz Peil (26.3.2021)
Ich möchte als Einstieg folgende Frage aufwerfen: Was haben Coronakrise und Klimakrise bezüglich der Aktivitäten in der deutschen Bundespolitik gemeinsam? Die Antwort: In beiden Fällen werden Großkonzerne als angeblich systemrelevant unterstützt, die klimaschädliche Geschäfte betreiben.
In der Coronakrise waren es im letzten Jahr Lufthansa und TUI, deren Kerngeschäft durch Fernreisen erfolgt, deren CO2-Fussabdruck maßgeblich zur Klimakrise beiträgt. Nur marginal unterstützt wurden hingegen diejenigen Freiberufler und kleinere Unternehmen, die lokal und regional tatsächlich systemrelevant sind, wenn man soziale und kulturelle Standards als die eigentlichen zivilisatorischen Errungenschaften ansieht.
In der Klimakrise war Deutschland bis vor einigen Jahren noch weltweit Schrittmacher in der Einführung Erneuerbarer Energien. Profitiert haben davon nicht nur das Klima, sondern in Deutschland vor allem lokal und regional tätige kleinere und mittlere Unternehmen. Warum eine solche Entwicklung abgewürgt wurde, hat die Energieexpertin Claudia Kemfert bereits 2017 in ihrem Buch mit dem Titel „Das fossile Imperium schlägt zurück“ umschrieben. Darin heißt es:
„Alles schien auf einem guten Weg: Die Energiewende schafft Wohlstand, macht unabhängig von geopolitischen Konflikten, schützt das Klima und stärkt die Demokratie. Doch die ‚alten‘ Energien und die Klimaskeptiker gehen nicht kampflos vom Platz. Sie nutzen keine Armee, sondern Propaganda und ‚Fake News‘“.
Die für den Klimaschutz notwendige Energiewende in Deutschland müsste mit einem Vielfachen der derzeitig aufgewendeten Ressourcen lokal und regional erfolgen. Jedoch ist regionale Wertschöpfung durch mittelständische Firmen politisch nicht förderungswürdig. Wirtschaftsminister Peter Altmaier fungiert hierbei als Sprachrohr der deutschen Industrie, indem er aktuell deren Wasserstoffstrategie propagiert, mit der die importierten fossilen Brennstoffe für Energieerzeugung und Verkehr durch CO2-freien Wasserstoff ersetzt werden sollen, der wiederum über Pipeline-Netze z.B. aus Marokko nach Deutschland gebracht werden soll.
Um diesen in großen Mengen zu importieren, muss zuvor entsprechende Technologie in Deutschland entwickelt und exportiert werden. Diese traumtänzerische „Weiter so“-Strategie ist nicht nur alles andere als nachhaltig, sondern kann nur mit einer weiteren Militarisierung funktionieren.
Zur Erinnerung: Noch im Jahr 2010 erfolgte der Rücktritt des damaligen Bundespräsidenten Köhler nach einer unbedachten Äußerung, dass militärische Einsätze auch notwendig sein könnten, um z.B. freie Handelswege und damit wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland zu sichern.
Mittlerweile ist man diesbezüglich viel offener, wie z.B. BDI-Präsident Kempf am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz 2020. Seine Worte: Da 61% der Industriearbeitsplätze vom Export abhängig seien, müsse die deutsche Exportwirtschaft durch militärische Aufrüstung geschützt werden, um damit Handelswege militärisch abzusichern.
Ich möchte dazu drei Punkte als notwendige Forderungen formulieren:
Inhalt
Erstens: Klimawandel als Konfliktursache angehen
Immer noch ignoriert wird der Einfluss des Klimawandels als Katalysator bei ethnischen Konflikten und angeblicher Terrorbekämpfung. Was bereits 2007 von einer wissenschaftlichen Studie im Auftrag der Bundesregierung als künftiges Szenario kriegerischer Konflikte befeuert durch den Klimawandel befürchtet wurde, zeigt sich aktuell bei dem Bundeswehreinsatz in Westafrika. Doch statt dort Hilfestellung gegen den Klimawandel zu leisten, wird in der dortigen Konflikt-Gemengelage die weitere Militarisierung forciert.
Notwendig wäre hingegen für Westafrika:
• Kurzfristig können flächendeckend Photovoltaik-Anlagen den lokalen Verbrauch von fossilen Brennstoffen erheblich reduzieren.
• Langfristig muss das für die Sahel-Zone existente, aber kaum voran kommende Projekt einer Wiederaufforstung mit gewaltigen Ressourcen voran gebracht werden. China hat es mittlerweile vorgemacht, wie mit einem solchen Projekt Sandstürme aus der Wüste Gobi in Peking weitestgehend verhindert werden.
Zweiter Punkt: Regierungshandeln für Nachhaltigkeit einfordern
Auch wenn der Begriff Nachhaltigkeit inflationär verwendet wird, so sollte dieser verstärkt in den politischen Diskurs eingebracht werden, da die 2015 von allen UN-Mitgliedsstaaten beschlossenen 17 Nachhaltigkeitsziele eine Messlatte für regionales und globales Handeln darstellen. Dem entsprechend gibt es auch eine deutsche Nachhaltigkeitsstrategie mit dem erklärten Anspruch, Nachhaltigkeit in beispielgebenden Regierungshandeln umzusetzen. Allerdings ist die größte Institution des Bundes gemessen an Personalstärke (militärisch und zivil) die Bundeswehr, die auch 50% der Dienstleistungen von Bundesbehörden erbringt, gemäß der Funktionsgruppe „Allgemeine Dienste“ im Bundeshaushalt mit aktuell 104 Mrd. Euro, wovon allein 47 Mrd. Euro für „Verteidigung“ ausgewiesen sind. Damit kann man davon ausgehen, dass auch weit über 50% der CO2-Emissionen durch Bundesinstitutionen von der Bundeswehr und deren Verwaltungsorgane verursacht werden.
Dritter Punkt: Zukunftsfähige Wirtschaftsbereiche fördern
Globale Nachhaltigkeit kann nur durch regionale Wertschöpfung bzw. dezentrale Wirtschaftskreisläufe erreicht werden. Dazu gehört, dass nicht mehr global agierende Großkonzerne bestimmend sind, sondern mittelständische Industrieunternehmen und Genossenschaften. Dieses bedeutet eine Abkehr von Großprojekten, die nur für Großkonzerne lukrativ sind, wie die Wasserstoffstrategie des Wirtschaftsministeriums und die militärische EU-Industrieförderung des Verteidigungsministeriums. Beides bedeutet eine Abkehr von der Militarisierung, die für die sogenannte Energiesicherheit und gewaltsame Sicherung von Absatzmärkten erforderlich ist. Deutsche Großmachtambitionen mit einem militarisierten, globalen Wettbewerbsvorteil für die deutsche Industrie sind zum Scheitern verurteilt. Mit einer dezentralen Energiewende hingegen erreichen wir nicht nur eine sichere Energieversorgung, sondern treten damit in einen fairen, weltweiten Wettbewerb um entschiedene Maßnahmen für den notwendigen Klimaschutz und internationale Kooperation statt Konfrontation.